Ritualmord
sich ganz sicher - würde der Walking Man etwas zu sagen haben, ja, es sogar billigen.
Und jetzt befand er sich in Jonah Dundas' winziger Wohnung und inspizierte das Schlafzimmer. Es war klein, gerade groß genug für eine einzelne Matratze und eine Milchkiste, in der ein paar zusammengeknüllte T-Shirts und ein Paar Turnschuhe lagen. Die oberste Scheibe des metallgerahmten Fensters war eingeschlagen und die Öffnung mit Plastiktüten aus einem Supermarkt - Eezy Pocket - verschlossen. Sie blähten sich in dem Wind, der um den achtzehnten Stock dieses Gebäudes wehte.
Faith Dundas und ihr geschiedener Mann Rich standen in der Tür. Sie versuchten das Zimmer mit Cafferys Augen zu sehen und hofften, er werde etwas entdecken, das sie übersehen hatten. Faith war eine unauffällige Frau. Sie trug einen schlichten, marineblauen Rock, einen rosa Pullover und adrette flache Pumps. Ihr grau meliertes Haar war im Nacken zu einem Knoten gebunden, und sie wirkte nicht wie die Mutter eines Drogensüchtigen; nur ihre Augen waren vom Weinen verquollen, sodass sie aussah, als hätte sie jemand ins Gesicht geschlagen. Das war das Merkwürdige bei den Eltern von Jun- kies, dachte Caffery: Entweder warfen sie die Kids aus dem Haus und überließen sie ihrem Schicksal, oder sie wurden zu Kuckuckseltern, die sich ein Bein für ein Kind ausrissen, das mehr forderte, als ihm zustand.
»Hat er gestern Abend gesagt, wohin er wollte?«, fragte Caffery. Er stand mit dem Rücken zum Fenster. »Irgendwas?«
»Nein«, antwortete Faith mit erstickter Stimme; sie presste sich ein Papiertaschentuch an den Mund, und man konnte sie nur schwer verstehen. »Er sagte nur, er hat einen Job. Einen speziellen Job. Ich hab nachgedacht und nachgedacht, aber
sonst fällt mir nichts ein.« Tränen rollten ihr über die Wangen. »Ich hab nicht besonders aufmerksam zugehört, weil er so was schon so oft gesagt hat, und ich konnte einfach...« Ihre Worte gingen in ein leises Schluchzen über.
»Was hat er mit spezieller Job< gemeint?«
Sie schüttelte den Kopf, und neue Tränen quollen aus ihren Augen. Caffery hob fragend die Brauen und sah den Ex- mann an.
Dundas räusperte sich und straffte die Schultern. »Er wollte... ich weiß nicht. Würde 'ne Menge Geld verdienen.«
»Wie viel ist eine Menge?«
»Eintausendachthundert Pfund.« Er warf seiner Frau von der Seite einen Blick zu. »Das hat er ihr jedenfalls gesagt.«
»Eintausendachthundert...« Caffery schüttelte den Kopf. »Fast zweitausend Pfund? Was für ein Job sollte das denn sein?«
»Keine Ahnung.«
»Ich meine, das ist ja wohl eine Wahnsinnsnacht auf dem Strich«, sagte Caffery. »Das müssen Sie zugeben - das ist eine verdammt gute Nacht.«
»Ich war nicht da.« Dundas schaute auf den Scheitel seiner Exfrau. »Wenn ich da gewesen wäre, hätte ich vielleicht...« Sein großes Gesicht sah aus, als würde er gleich zu weinen beginnen. »Tut mir leid.« Er legte einen Finger auf seine Nasenspitze und schloss die Augen, als könnte ihn das beruhigen. »Ist schwer zu sagen, was er vorhatte, wenn ich nicht mal dabei war.«
Caffery hob ein T-Shirt auf. Es war fest zusammengeknüllt und von etwas weißlich Verkrustetem verklebt. Er wollte nicht darüber nachdenken, was es war. Also ließ er es fallen und wischte sich die Hände ab. Er beäugte die erbärmliche Matratze mit dem verknitterten Nylonlaken und dem klumpigen Kopfkissen. Es war richtig gewesen, dass er mit Rebecca niemals Kinder bekommen hatte. So würde es ihm niemals ergehen wie
Faith: dass er Tränen um den Verlust eines Menschen vergoss, der ihn bis aufs Blut aussaugte, wie Jonah es mit seiner Mutter tat.
»Er hat seine Sachen verkauft, stimmt's?«
Faith hörte auf zu weinen. Sie hielt kurz den Atem an. Dann sagte sie: »Ja, ich glaube, das hat er getan.«
»Sachen, die Sie ihm gekauft haben?«
Sie nickte.
»Um seine Sucht zu finanzieren?«
»Ich glaube... ja, vielleicht.«
Dundas zog sie an sich. Er sah Caffery in die Augen, und eine Andeutung von Wut lag in seinem Blick. Er wollte seine Exfrau vor sich selbst schützen. »Er würde es seiner Mutter sagen, wenn er einen Weg aus der Sucht gefunden hätte.«
»Aha.«
»Vielleicht war es die Wahrheit.«
Caffery nickte neutral. »Vielleicht.«
»Er hat gesagt, er sei fest entschlossen. Er würde seine Schulden bezahlen, und mit dem Rest würde er von der Droge loskommen.«
»Und sie hat ihm Geld gegeben, nehme ich an.«
»Diesmal nicht. Diesmal hat sie Nein
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