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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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fünf oder sechs Meter 
    weiter neben einem Briefkasten. Der Fahrer - ein fetter Kerl in einem England-T-Shirt - saß bei offenem Fenster auf der Gehwegseite.
    Caffery näherte sich von schräg hinten; er bewegte sich lässig, hielt sich aber dicht neben den anderen Autos, damit der Fahrer ihn erst bemerkte, wenn er bei ihm war. Dann riss er die Wagentür auf, und bevor der Mann reagieren konnte, zog er den Schlüssel ab, steckte ihn ein und schlug die Tür wieder zu.
    »Hey, verdammt, was soll das...?«
    Der Fahrer kämpfte mit der Tür und öffnete sie wieder, während Caffery vorn um den Wagen herumging und sich auf den Beifahrersitz setzte. Der Fahrer folgte ihm, so schnell sein Gewicht es erlaubte.
    »Hey!« Vergebens zerrte er an der Beifahrertür. »Raus da, du Mistkerl! Raus aus meinem Wagen!« Er hämmerte ans Fenster. »Raus, oder ich hetz dir die Bullen auf den Hals!«
    Caffery zog seinen Ausweis aus der Hosentasche und drückte ihn an die Seitenscheibe. Der Fahrer verstummte. Er brauchte sich nicht erst vorzubeugen, um herauszufinden, was für ein Ausweis das war; Caffery wusste, dass er ihn schon oft genug gesehen hatte. Er hörte auf, ans Fenster zu hämmern, ließ resigniert die Schultern hängen und legte die Hände auf das Wagendach. Er drehte sich um und schaute die Straße entlang, als zöge er in Erwägung wegzulaufen. Aber dann überlegte er es sich anders, stapfte müde um den Wagen herum und setzte sich schweigend wieder ans Steuer.
    Es roch nach Schweiß, Essen und alten Klamotten. Als der Mann einstieg, ächzte und wippte der Wagen. Er brauchte eine Weile, um es sich auf dem kleinen Sitz bequem zu machen. Schweiß lief ihm über das Gesicht.
    »Und?«, fragte er. »Sie können mir nichts. Ich hab keine Bewährungsauflagen und nichts. Ich bin clean. Ich kann sitzen, wo ich will und wann ich will.«  

    Caffery antwortete nicht. Die Schulkindermeute verschwand in der Ferne. Er wusste, dass der Mann sich bemühte, ihnen nicht nachzuschauen. Er wusste es, weil er den Typen gleich richtig eingeschätzt hatte, als er ihn von der anderen Straßenseite her sah. Vielleicht war es sein Fluch, dass er einen Pädophilen auf hundert Meter erkannte. Als er nicht antwortete, lehnte der Mann sich seufzend zurück und verschränkte die Arme. Er trug Shorts, und seine dicken spärlich behaarten Beine klemmten unter dem Lenkrad.
    »Der Punkt ist - und das sage ich euch Typen immer wieder -, wir sind alle gleich. Innerlich sind wir Männer alle gleich, in unseren Gedanken, in unseren...«, er deutete mit dem Kopf in die Richtung der Schuljungen, »...in unseren Wünschen.«
    Caffery biss die Zähne zusammen.
    »Der einzige Unterschied«, sagte der Mann lächelnd, »ist der, dass ich den Mut habe, frei zu sein. Mich auszudrücken. Und Sie nicht.«
    Caffery holte tief Luft. Dann, als der Fahrer eine ganze Weile geschwiegen hatte, drehte er sich auf dem Beifahrersitz zu ihm herum und schlug ihm in einer einzigen, fließenden Bewegung mit der Faust ins Gesicht. Der Kopf des Mannes prallte gegen die Sicherheitsgurthalterung, sein Mund flog auf, und Speichel sprühte hervor. Sein Kopf kippte nach hinten, und er presste beide Hände an die Wange. Blut tröpfelte ihm aus der Nase, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
    »Was soll das?«, fragte er gepresst und hielt die Hand unter die Nase, um das Blut aufzufangen. »Ich kenne meine Rechte. Das dürfen Sie nicht.«
    »Das hier darf ich auch nicht.« Caffery packte sein T-Shirt und drehte es so zusammen, dass der Kragen sich in die Fettwülste grub. Dem Mann quollen die Augen aus den Höhlen.
    »Aufhören - hören Sie auf...« Hilflos zerrte er an Cafferys Händen. »Aufhören.«
    »Auf wen wartest du, du Dreckstück?«  

    »Auf niemanden.«
    »Erzähl mir nichts.« Caffery verstärkte seinen Griff. »Du wartest auf jemanden.«
    »Nein, nein, ich warte auf niemanden.«
    Caffery stieß ihn in den Sitz zurück, stieg aus und ging zur Fahrerseite. Einen Moment lang sah er Flea auf der anderen Straßenseite; sie war ausgestiegen, hatte die Sonnenbrille abgenommen und sah aufmerksam zu. Dann riss er die Fahrertür auf und zog den Mann heraus.
    »Raus, du Fettsack«, keuchte er und kämpfte mit seinem Gewicht. »Raus, verdammt.«
    Der Fahrer plumpste aus dem Wagen wie ein Korken aus einer Flasche. Wimmernd landete er auf allen vieren, und Blut tröpfelte von seinem Gesicht.
    »Das dürfen Sie nicht, das dürfen Sie nicht.«
    Caffery legte ihm eine Hand auf den

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