Ritualmord
und hielt sich das Telefon ans Ohr, während er in Richtung Tal schaute. Als er das Gespräch beendet hatte, drehte er sich um und entdeckte sie durch die Glasscheibe. »Was ist?«, formte er mit dem Mund.
Sie öffnete die Tür und trat hinaus in die Sonne. Es roch nach Schimmel, gemähtem Gras und fernen Kühen. Ihr fiel auf, dass er immer noch ein wenig zitterte.
»Alles okay?«
Er nickte.
»Was ist los?«
»Nichts.«
»Nichts?«
»Ich dachte, Sie wären in Schwierigkeiten, okay? Vorhin, als Sie da im Arbeitszimmer saßen. Ich habe mich geirrt, aber das ändert nichts daran, dass ich dachte, ich komme da rein und finde Sie...«
»Ja?«
Er biss sich auf die Lippe und warf ihr einen hastigen Blick zu. Die ihr zugewandte Seite seines Gesichts lag im Schatten, aber es war doch hell genug, um zu erkennen, dass er müde und erschöpft aussah. »Nicht jetzt«, sagte er und drehte sich wieder um. »Nicht jetzt.«
Sie blinzelte und versuchte, ihn nicht mehr anzustarren. »Ist das alles? War das das Problem?«
Er schüttelte den Kopf, und jetzt erkannte sie, dass ihn noch etwas beschäftigte.
»Was denn? Was ist noch?«
»Jonah.«
»O Gott«, sagte sie tonlos. »Was ist mit ihm?«
»Etwas, das seine Eltern bisher nicht erwähnt haben. Es stellt die ganze Sache auf den Kopf, und ich habe Angst um ihn«, erwiderte Caffery.
»Angst um ihn?«, flüsterte sie, und Panik stieg in ihr auf. »Was denn? Was haben sie nicht erwähnt?«
»Mallows. Er und Dundas' Junge...«
»O Scheiße.« Flea hatte das Gefühl, irgendetwas stürze in ihr in die Tiefe. Sie begriff es plötzlich: die gleiche Sucht, der gleiche Hintergrund. Natürlich, sie mussten einander gekannt haben. »Scheiße. Ich weiß, was Sie mir erzählen wollen. Scheiße, o Scheiße.«
Caffery steckte das Telefon ein, zog den Schlüssel aus der Tasche und lief seitlich um das Haus herum. Sie rannte ihm nach, und vor dem Haus hatte sie ihn eingeholt. Er nahm sein Jackett von einer rostigen Rasenwalze und sagte: »Es ist okay. Gehen Sie zurück zu Kaiser.«
»Was haben Sie vor?«
»Ich muss arbeiten.« Er zog die Jacke an und ging zu seinem Wagen.
»Nein.« Sie blieb an seiner Seite. »Warten Sie!«
»Ich rufe Sie an, sobald ich was habe.« Er stieg in den Wagen
und schlug die Tür zu. Er hatte schon den Motor gestartet, als sie nach vorn lief, die Hände auf die Haube legte und ihn am Wegfahren hinderte.
Er drehte sein Fenster herunter. »Verzeihung«, rief er. »Sie stehen mir im Weg.«
»Ja«, sagte sie. »Ja, das stimmt. Ich will, dass Sie warten. Lassen Sie mich meinen Schlüssel holen, ich komme mit.«
»Wie im Kino, meinen Sie?«
»Wie im Kino.« Sie richtete den Zeigefinger wie eine Pistole auf seine Stirn. »Also.« Sie stieß mit dem Finger in seine Richtung. »Sie fahren nirgendwo hin. Sie warten hier, bis ich meinen Schlüssel geholt habe.«
52
18. Mai
Flea folgte Cafferys klapprigem Wagen. Er fuhr schnell über die Landstraßen und streifte die dichten Hecken. Sie musste sich konzentrieren, um ihn nicht zu verlieren. Auf der A3 8 ging es zurück in die Stadt und auf die Nebenstraßen in der Gegend von Easton, vorbei an Hauswänden voller Graffiti und an Zeitungsläden, vor denen Männer an Klapptischen saßen und Schach spielten, unter Überführungen hindurch und an Lagerschuppen vorbei, bis Caffery schließlich langsamer wurde, aus dem Seitenfenster schaute und dann an der Ecke einer Wohnstraße anhielt.
Flea parkte ihr Auto, schloss es ab und setzte sich zu ihm auf den Beifahrersitz. »Was machen wir hier?«, fragte sie. Auf der anderen Straßenseite teilten sich eine Kirche, ein Wettbüro und ein Supermarkt einen Häuserblock.
»Der Supermarkt«, antwortete er.
Sie beugte sich vor und spähte hinüber. »Eezy Pocket«, prangte auf dem rotgelben Ladenschild. Die Fenster waren vergittert, vor dem Eingang stand eine Zeitungstafel mit lokalen Schlagzeilen, und daneben lungerten zwei Kids herum und linsten mit verschlagenem Blick die Straße entlang, als warteten sie auf jemanden. »Was ist damit?«
»Ich weiß es nicht.« Caffery trommelte nachdenklich auf dem Lenkrad herum. Es war lange still. Sein Hemd wirkte sehr weiß auf seiner Haut, und sein dunkles Haar war sauber, aber wild zerzaust. Und sie bemerkte wieder diesen Gesichtsausdruck, der ihr zu sagen schien, dass er irgendetwas nur mit Mühe zurückhielt.
Eben wollte sie es sagen - mein Gott, ich weiß, wie es Ihnen geht -, als er sein Handy hochhielt. Auf dem Display
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