Ritualmord
erkannte sie das Bild eines schmächtigen, rattenhaft aussehenden Schwarzen mit vorgerecktem Kopf. Er trug ein weißes Hemd und eine schäbige braune Cordjacke.
»Die Multimediaeinheit hat das Bild aus dem Videomaterial der Überwachungskamera bei TIDARA eingescannt. Er war mit Mossy zusammen, als er zuletzt lebend gesehen wurde.«
»Wissen Sie, wer er ist?«
»Nein. Nie gesehen.« Er steckte das Handy ein und rutschte auf seinem Sitz umher. »Sie wissen noch etwas nicht«, sagte er. »Bei einem Freund von Mabuza hab ich was gefunden. Ein Typ namens Kwanele Diamini - er hatte eine Schale Blut in seiner Wohnung.«
»Nett.«
»Ja. Menschenblut, wie sich herausstellte.«
»Noch netter.«
»Mossys Blut.«
Flea sog die Luft zwischen den Zähnen ein. Jonahs Gesicht tauchte vor ihr auf. Sie hatte ihn nur einmal gesehen, auf einer Weihnachtsparty bei Dundas zu Hause. Da hatte er ihr seine
PlayStation gezeigt und ihr erzählt, eines Tages wolle er Videospiele schreiben. Natürlich hatte sie nicht geahnt, was die Zukunft für ihn bereithielt.
Caffery sah sie an. »Sie erinnern sich, was Kaiser gesagt hat: einem Tokoloshe Blut zu opfern, das sei ein Aberglaube aus dem Osten.«
»Dann haben Sie ihm zugehört?«
Er lächelte sarkastisch. »Ich habe jemanden bei der Einwanderungsbehörde angerufen - da gibt es einen, der zur Operation Atrium gehört. Ein netter Kerl. Hilfsbereit. Er hat mich letzte Woche über Mabuzas und Diaminis Status informiert.« Er klopfte seine Taschen ab, zog ein Päckchen Tabak heraus und legte es vorn auf die Ablage. »Aber ich wollte noch mehr über sie wissen...«
»Was denn, zum Beispiel?«
»Zum Beispiel: Wusste die Behörde, ob sie aus dem Osten des Landes kamen? Wo die Zulustämme zu Hause sind?«
»Wegen der Sache mit dem Blut?«
»Wegen der Sache mit dem Blut. Das Problem ist nur, er kann es mir nicht beantworten, jedenfalls nicht sofort. Er wird sich umhören, sagt er. Aber dann erwähnt er, dass die meisten schwarzen Südafrikaner, die aus dem Zuluterritorium nach Bristol kommen, früher oder später da drüben landen.« Er deutete mit dem Finger auf den Supermarkt. »Der Eigentümer stammt aus einem Slum in Durban. Er führt die Einwanderungsbehörde seit Jahren an der Nase herum. Zu ihm kommen die Leute, wenn sie hier in der Gegend eintreffen. Er macht alles, besorgt ihnen Arbeit, Drogen, einen Freund oder eine Freundin, je nachdem, was sie wollen. Er sorgt für alles. Die Behörde möchte zu gern etwas gegen ihn in die Hand bekommen; deshalb haben sie nichts dagegen, wenn ich ein bisschen genauer hinschaue.«
Caffery verstummte, als eine Gruppe von Schulkindern vorbeischlenderte: zehnjährige Jungen, denen die Strümpfe
an den dürren Waden herunterrutschten und die ihre Schultaschen über den Boden schleiften. Ein paar von ihnen bückten sich, um in den Wagen zu spähen, einer grinste Caffery an, zeigte ihm den Mittelfinger und spazierte weiter, lässig und hüftschlenkernd wie die größeren Jungs.
»Das ist Hopewell, wo Jonah wohnt«, erklärte Caffery, als die Kinder vorbeigegangen waren. Er deutete mit dem Finger durch die Windschutzscheibe zu dem Hochhaus, das ein paar Straßen weiter in den Himmel ragte. »Nicht sehr weit, aber ich wette, dass es zwischen hier und dort mindestens zwanzig solcher Supermärkte gibt. Warum also ist er hierhergekommen?«
»Woher wissen Sie, dass er hier war?«
»Wegen der Tüten in seinem Schlafzimmer. Es sei denn, es wäre eine Kette, aber so sieht's nicht aus. Also muss er hier gewesen sein. Und das bedeutet, jemand hier kennt ihn, und das wiederum bedeutet...«
Er starrte hinüber. Flea folgte der Richtung seines Blicks. Die Schulkinder hatten die Straße überquert, den Supermarkt und ein paar geparkte Autos passiert und bogen in eine Seitenstraße ein.
»Was ist?«, fragte sie. Cafferys Augen waren schmal geworden, und sie erkannte an seinen harten Kiefermuskeln, dass er die Zähne zusammenbiss. »Was ist denn?«
Er löste seinen Sicherheitsgurt, öffnete die Tür und schwenkte die Beine hinaus. »In einem solchen Laden gibt es immer jemanden, der alles weiß. Und...«, er beugte sich in den Wagen und lächelte, »ich weiß, wer das ist.«
Er nahm seinen Ausweis aus der Tasche, zog seine Jacke aus und warf sie auf den Rücksitz. Ohne auf Fleas ratloses Stirnrunzeln zu achten, schloss er die Tür und ging quer über die Straße auf den Supermarkt zu. Der Wagen, für den er sich interessierte, ein blauer Nissan, parkte
Weitere Kostenlose Bücher