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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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die versuchen, einen Tokoloshe zu zeugen.« 

    Caffery zog eine Braue hoch. Kaiser lächelte. »Ja, das zeigt, wie viel Glauben und Respekt ihm manche Leute entgegenbringen, nicht? Natürlich, sich selbst überlassen ist der Tokoloshe kaum eine Gefahr, sondern höchstens lästig. Aber er ist der Hausgeist eines Zauberers, und dann - unter dem Einfluss eines Zauberers - muss man vor dem Tokoloshe auf der Hut sein und spezielle Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.« Kaiser hielt ein Buch in die Höhe. »Hier behauptet ein Mann, sein Lastwagen habe auf einer Landstraße in Drakensburg einen Tokoloshe überfahren. Natürlich ist es eine Fälschung, aber man sieht doch, wie clever es war und warum die Leute darauf hereingefallen sind.«
    Als Caffery das Buch zur Hand nahm, konnte Flea an seiner Miene ablesen, dass er etwas Monströses betrachtete.
    »Darf ich es sehen?«
    Er hielt ihr das Buch hin. Das Foto zeigte einen Mann mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, der einen kleinen, vertrockneten, zu einem runden, schwärzlichen Pfannkuchen platt gewalzten Kadaver in die Höhe hielt. Die schwarzen Arme waren seitwärts abgespreizt wie Engelsflügel, der zerquetschte Kopf mit dem offenen Mund seitwärts gedreht. Unbehagen stieg in ihr auf, als sie den seltsam verdrehten Leichnam betrachtete.
    »Ein ehemaliger Kollege in Nigeria konnte den Kadaver in seinen Besitz bringen«, berichtete Kaiser. »Tatsächlich hat er dafür bezahlt; fast dreitausend Rand, wie ich hörte, weil der Mann ziemlich hart verhandelte. Es stellte sich heraus, dass es ein Pavian mit einem aufgepfropften menschlichen Schädel war; beides hatte man verbrannt und dann in die Sonne gelegt. Ich glaube, es gab eine polizeiliche Untersuchung, aber man fand nie heraus, wem der Schädel gehörte. Man vermutet aber, dass er aus einem Grab entwendet wurde. Zumindest gab es keine Hinweise auf ein Verbrechen.«
    »Und das war in Südafrika?« 

    »Ja.«
    »Ist der Tokoloshe ein südafrikanisches Phänomen?«
    »Wassergeister wie er tauchen unter verschiedenen Namen überall auf dem Kontinent auf - als Krokodilgott zum Beispiel. Aber in Südafrika und weiter oben in Malawi, Mosambik und Zimbabwe heißt er Tokoloshe.«
    »Wie steht es mit der Tradition, ihm eine Schale Menschenblut zu opfern?«
    »Menschenblut? Ja - ich würde sagen, diese Tradition kommt aus Natal oder Gauteng, aber nicht aus der Kapregion.«
    Caffery grunzte. »Danke.« Er klappte das Buch zu, stand auf und zeigte Kaiser sein Handy. »Gibt es irgendwo hier in der Nähe Netzkontakt?«
    »Im Norden des Tals steht ein Mast. Ich benutze keine Funktelefone, aber ich glaube, hinter dem Haus haben Sie Empfang. Sie können durch den Wintergarten gehen.«
    Caffery verschwand nach draußen. Kaiser sah plötzlich ein wenig verloren aus. Er lehnte sich erschöpft zurück. Eine Zeit lang schwiegen sie. Sie starrte ihn an - die braunen Augen mit den schweren Lidern, den großen Kopf - und dachte daran, wie er ihr in der Tür erschienen war: ein Tierschädel über einem weißen Hemd. Sie hatte immer geglaubt, sie und Kaiser ständen einander nahe, aber jetzt fragte sie sich, ob sie ihn überhaupt kannte.
    »Die Videos«, begann sie schließlich. »Dad hat von ihnen gewusst, stimmt's?«
    Kaiser seufzte. Er senkte den Kopf und nickte fast unmerklich. »Ich kann dich nicht belügen, Phoebe. Ja, er wusste davon.«
    »Er war an dem Experiment beteiligt, nicht? Ich habe gehört, wie ihr am Abend vor dem Unfall darüber gesprochen habt.«
    »Wir sollten darüber nicht reden. David lebt nicht mehr. Er kann es dir nicht erklären, weil er keine Stimme mehr hat.« 

    »Nein«, sagte sie verbittert. »Nein, er hat keine Stimme mehr.«
    Kaiser richtete sich auf. »Und? Bist du deshalb hergekommen?«
    Sie antwortete nicht. Sie wollte ihm nicht erzählen, dass Mums und Dads Leichen gefunden worden waren, und ihn nicht fragen, woher sie gewusst hatte, dass es passieren würde. Sie wollte nicht über das Ibogain reden und ihn auch nicht fragen, ob sie während des Trips am Computer gewesen war. Nein, entschied sie, ich werde dir gar nichts erzählen. Du hast gesagt, es gibt Straßen, auf denen ich allein reisen muss, und du hast recht. Diese Straße ist lang, und im Moment vertraue ich dir nicht als Begleiter.
    Sie verbannte das gruselige Bild des toten Tokoloshe aus ihrem Kopf.
    »Phoebe?«, sagte Kaiser, aber sie ignorierte ihn, ging hinaus und durch den Korridor zum Wintergarten, um Caffery zu suchen.
    Er wandte ihr sein Profil zu

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