Ritualmord
ringsherum waren grob zerschlagen, vielleicht mit einer Spitzhacke. »Oh«, sagte sie leise. »Ich glaube, ich weiß, was Sie denken.«
»Ja. Ich schätze, wir stehen genau über dem Einbruch. Meinen Sie nicht auch?«
12
14. Mai
Und so entdeckte das Team, dass nicht eine, sondern zwei Hände unter dem Eingang des Restaurants Moat vergraben worden waren. Wer immer es getan haben mochte, er hatte ein kleines Stück zu tief gegraben, die Erde hatte nachgegeben, und die eine Hand war in das Rohr darunter gefallen und in den Hafen hinausgeschwemmt worden. Die andere, mit Erde und Schmutz bedeckt, war hängen geblieben; sie klemmte lose
über dem Einbruch, die Finger über dem Wasser ausgestreckt. Knapp außerhalb des Gesichtsfelds der Kamera.
Es war nicht so, dass Caffery noch nie eine abgetrennte Hand gesehen hatte – wenn ihm etwas geläufig war, dann die Verstümmelung des menschlichen Körpers. Eigentlich wusste er nicht genau, warum ihn dieses leise, bange Kribbeln beschlich, als sich herausstellte, dass unter dem Eingang des Moat eine zweite menschliche Hand vergraben lag.
Im Laufe der Nacht waren seine Gedanken immer wieder zu der Kellnerin vom Station zurückgekehrt, deren Stimme geklungen hatte, als erwartete sie nicht, dass man ihr glaubte: bedrückt und irgendwie flehentlich in dem Wissen, dass sich das, was sie sagte, ziemlich verrückt, ziemlich krank anhörte. Er hatte von dunklen Schatten geträumt, von hüfthohen Gestalten, die sich bewegten. Er hatte einen der Datenbankspezialisten in Kingswood veranlasst, das polizeiliche Netzwerk nach Exhibitionisten in der Umgebung zu durchsuchen. Die Liste, die er bekommen hatte, enthielt keine zweistellige Zahl, sondern Hunderte von Namen. Sie zu überprüfen konnte Wochen dauern, und es gab keinen Hinweis auf eine Verbindung zu dem Kerl, der sich da entblößt hatte – nicht für diesen Fall, und schon gar nicht für das, was er am vorhergehenden Abend mit Keelie im Auto erlebt hatte. Warum also stellte er diesen Zusammenhang immer wieder her?
Aber ganz egal, wie unlogisch sein Kopf sich benahm, er kannte das System gut genug, um wenigstens den Anschein eines methodischen Vorgehens zu erwecken. Der Besitzer des Restaurants befand sich auf einer Urlaubsreise im Ausland – Caffery hatte jemanden beauftragt, ihn aufzuspüren –, aber die Angestellten erschienen jetzt nach und nach zur Arbeit und reagierten verblüfft, als man sie am Eingang aufhielt und zur Vernehmung hinüber ins Station brachte. Caffery hatte seine Kernmannschaft, die im Yachthafen von Tür zur Tür gegangen war, zurückbeordert, und fast alle seine Mitarbeiter saßen jetzt
dort drüben an den Restauranttischen und tranken schwarzen Kaffee aus winzigen Tassen. Der Laden sah aus wie ein Job- Center; Interviewer und Befragte starrten einander über die Tische hinweg eindringlich an. Er hatte jedem Ermittler aufgetragen, sich neben den üblichen Fragen danach zu erkundigen, ob jemand am späten Abend nach Feierabend etwas Ungewöhnliches auf dem Ponton bemerkt habe.
Caffery stand an der Seite des Restaurants und wartete darauf, dass die Spurensicherer die Hand aus dem Boden holten. Sie arbeiteten langsam wie Archäologen, um keine Spur zu verwischen. Die Sonne war über den Hafen gewandert und funkelte in der Ferne auf den Masten im Yachthafen, doch der nahe Ponton wirkte dunkel und kalt. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, wie die Sonne das Ding beschien, ganz gleich, zu welcher Tageszeit. Der polizeiliche Fahndungsberater hatte Parameter für die Suche aufgestellt, und Teams aus Portishead waren mit Bussen herangekarrt worden; sie durchkämmten das Restaurant und suchten die Kaianlagen rund um das Moat mit Bodenradar ab, während die Leute von der Kanalreinigung jedes Leitungsrohr in der Gegend sondierten. Aber nichts war von Erfolg gekrönt. Den Rest der Leiche fanden sie nicht.
Der Cheftechniker fand es äußerst komisch, wie sich alle abrackerten. »Sie nennen sich Detective?«, fragte er; er packte die Hand in einen Asservatenbeutel und ging zu Caffery – ein kleiner Mann mit einer Knubbelnase und roten Tränensäcken, unscheinbar und grau. Caffery hätte nicht vermutet, dass er aus der Großstadt kam, sondern eher aus einer dieser Kleinstädte südwestlich von Bristol, durch die er fahren musste, wenn er nach Hause wollte. Aus Nailsea vielleicht.
»Wie bitte?« Caffery schaute hinunter auf die graue Hand in dem Beutel. »Was haben Sie gesagt?«
Der Cheftechniker
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