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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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nicht einfach um eine schnelle Wichsnummer. Es ist ein bisschen mehr und ein bisschen weniger. Er verkauft seinen Körper, aber nicht seine Seele, sozusagen.
    Aber es ist schon Anfang Mai, als er Skinny wiedersieht. Es ist genauso wie beim ersten Mal: Gerade schlurft Mossy noch so dahin, schiebt mit dem Fuß die Kippen auf dem Gehweg vor sich her und überlegt, ob er noch genug zusammenkriegt, um sich eine Zigarette zu drehen, und im nächsten Moment ist Skinny neben ihm, mit diesem geölten Gang, die Hände in der Tasche. Diesmal bleibt Mossy stehen und sieht ihn an. Er hat vergessen, dass dieser Mann hübsch ist. Richtig hübsch mit seinen langen dunklen Wimpern und den Locken, die sich an seinem schlanken Hals hinunterschlängeln. Und er ist irgendwie sauberer, als wäre der Staub Afrikas von ihm abgewaschen worden.
    »Hey«, sagt Mossy und mustert ihn langsam von den Turn- 
    schuhen bis hinauf zu der braunen Lederjacke, die ihm zu groß ist, weil es für einen, der so klein ist, keine passenden Sachen gibt. Die Kleidung ist beinahe schick – coole Röhrenjeans und ein Pullover unter der Jacke –, aber sie hängt an ihm, und Ärmel und Hosenbeine sind aufgekrempelt. »Ist ‘ne Weile her.«
    Skinny antwortet nicht. Er greift nach Mossys Handgelenk, hält es mit Daumen und Zeigefinger fest und drückt es sanft und beruhigend. Mossy durchströmt wieder dieses zärtliche Gefühl, und irgendwo spürt er eine schmerzhafte Sehnsucht, die unerträglich ist. Er zieht die Hand weg.
    »Er will mehr, ja? Will mir noch mal wehtun?«
    »Er will mehr.«
    Aber diesmal hat Mossy einen Plan. Es ist ein guter Plan, und ein tapferer außerdem. Er geht mit Skinny in die Kräuterklinik, um nachzufragen, was die Kur kostet. Die Klinik ist ziemlich exklusiv, und sie fühlen sich beide ein bisschen fehl am Platz – erst recht, als sie hören, was es kosten wird. Aber Mossy hat folgenden Plan. Er wird sagen, er geht mit Skinny und macht, was sie wollen, wenn sie ihm die Behandlung bezahlen. Skinny geht raus und telefoniert ein wenig herum. Er tut geheim und wirkt ängstlich, aber etwas von dem, was er sagt, muss irgendwo weiter oben funktionieren, denn schließlich fahren sie zurück nach Bristol und landen wieder auf dem Parkplatz. Es wird Abend, als sie ankommen, und der dreckige alte Peugeot wartet.
    Anfangs läuft es genauso wie beim ersten Mal – ein Schuss auf dem Rücksitz, dann die Augenbinde und die holprige Fahrt. Türen, die sich öffnen und schließen, und das alte Sofa, das knistert und sich salzkörnig anfühlt, als er sich hinsetzt. Eine Sprungfeder ist kaputt und bohrt sich hinten in seinen Oberschenkel, und er rutscht ein bisschen zur Seite.
    Aber als er die Augenmaske abnimmt, sieht er, dass Skinny weint.
    »Was?« Mossy hat einen kleinen, bangen Knoten in der Stimme. »Was ist los?« 

    Skinny wendet den Blick ab. Er streicht mit Daumen und Zeigefinger an seinem langen Hals entlang, und Mossy erinnert sich, wie er beim letzten Mal die Bewegung der Muskeln in diesem Hals fühlen konnte. In seinem Bauch fängt etwas an zu pulsieren.
    »Was ist los?«, fragt er noch mal. »Komm schon, Mann, was ist? Was wollen sie diesmal?«
    Skinny schaut ihn mit Tränen in den Augen an. »Es tut mir leid«, sagt er mit dünner Stimme. »Es tut mir sehr, sehr leid.«
    14
    14. Mai
    Als Flea und ihr Team an diesem Nachmittag das Einsatzboot entluden, die Ausrüstung abspritzten und die Bojen mit den Taucherflaggen einholten, bemerkte sie, dass jedes Mal, wenn sie sich umdrehte, DI Jack Caffery irgendwo in ihrem Gesichtsfeld war. Eine Zeit lang glaubte sie, jemand wolle sich einen Jux mit ihr machen, Caffery und Dundas hätten eine seltsame Freundschaft geschlossen und versuchten, sie durcheinanderzubringen. Dann fragte sie sich, ob die Pilze noch in ihrem Organismus herumspukten und ihr Bilder vorgaukelten. Doch als sie endlich die Wahrheit begriff, war dies für sie noch schlimmer: Ein Teil ihrer selbst war unerwartet und ganz unfreiwillig hyperempfindlich für jemanden, den sie nicht kannte, der nichts über sie wusste und keinerlei Beziehung zu ihrem Leben hatte, außer dass er der stellvertretende Ermittlungsleiter bei einem ihrer Einsätze war.
    Kaum hatte sie erkannt, was da vorging, verließ sie den Kai, öffnete die Vantür und schob die Atemgeräte hinein. Dann 
    überquerte sie den Parkplatz und stieg in ihren Wagen. Sie schlug die Tür zu, holte ihr Telefon aus der Tasche und sah die SMS-Nachrichten des Tages durch: ein

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