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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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musterte ihn. Seine Augen tränten ein wenig. »Ich habe gesagt, Sie nennen sich Detective? Ich dachte 
    immer, das Wesen eines Detectives besteht darin, dass er nicht von Annahmen ausgeht.«
    »Von welcher Annahme gehe ich aus?«
    »Dass es eine Leiche gibt.«
    »Hören Sie, ich weiß, es klingt blöd, aber wenn es eine Hand gibt – zwei Hände –, dann muss es eine Leiche geben.«
    Der Cheftechniker schloss den Beutel und strich mit dem Fingernagel am oberen Rand entlang, um ihn zu versiegeln. Dann versah er ihn mit seinen Initialen und dem Datum. »Wohlgemerkt, ich bin kein Arzt, aber in meinem Job kriege ich so manches mit.« Er legte den Beutel in eine Kühlbox aus Styropor. »Die einfachsten Gesetze der Physik und der Biologie sagen uns, dass eine abgetrennte Hand von einem menschlichen Körper nicht notwendigerweise eine Leiche ergibt.«
    Der Cheftechniker wühlte in seinem Aktenkoffer und nahm ein Bündel Stifte heraus, das von einem roten Gummiband zusammengehalten wurde. Er nahm es ab und ließ die Stifte klappernd in den Koffer fallen. »Sehen Sie das?« Er hielt das Gummiband hoch. »Das ist die menschliche Arterie.«
    »Okay. Wie Sie meinen«, sagte Caffery geduldig.
    Der Cheftechniker zog eine Teppichmesserklinge aus einer Plastikverpackung. »Sie wissen, was Selbstmörder falsch machen.« Er fuhr mit der Hand rechtwinklig über das Gummiband. »Sie schneiden sich so die Handgelenke auf.«
    »Ja. Funktioniert nicht.«
    »Wenn Sie der Länge nach schneiden…« Er zog die Klinge der Länge nach durch das Gummiband. Die Enden zerfransten, aber das Gummi blieb in einem Stück, »… klappt es besser. Schneiden Sie so in eine Arterie, hört sie nicht auf zu bluten – und zwar hier heraus. Sie ist nicht unterbrochen, und das Blut kann weiter hindurchgepumpt werden. Aber schneiden Sie sie ganz durch – so…«, er legte das Gummiband auf das Holzgeländer am Rand der Veranda, schnitt es mit einiger Anstrengung quer durch und hielt es baumelnd hoch, »…schnellt sie 
    zurück, so in den Arm hinauf.« Er zog kurz an dem Gummi und ließ es los. Es sprang in die Höhe wie ein lebender Aal. »Das Blut wird nicht weitergepumpt, der Kreislauf ist blockiert. Der Patient ist glücklich. Oder nicht so glücklich, wenn es ein Selbstmord werden sollte.«
    In der Ferne, über den sonnenbeschienenen Dächern von Bristol, erhoben sich Vogelschwärme in den blauen Himmel. Caffery folgte ihnen nachdenklich mit dem Blick. »Sie meinen«, sagte er, »da ist irgendwo jemand? Jemand, der ohne Hände herumläuft?«
    Der Cheftechniker schnaubte. »Ich habe nicht gesagt, dass er herumläuft , oder? Aber ich habe auch nicht gesagt, dass er eine Leiche ist. Wie auch immer…« Er raffte das Gummiband zusammen und stopfte es in seinen Koffer. »Ich bin nur hier, um dieses verdammte Teil nach Southmeads zu bringen. Ich bin nicht der Pathologe, und ich bin schon gar nicht der Detective. Im Gegenteil – wissen Sie was?«
    »Was?«
    »Das mit dem Detective? Hier geht das Gerücht, das wären Sie , Mr. Caffery.«
    13
    7. Mai
    Mossy hat von einem Programm drüben in Glastonbury gehört, das einen innerhalb eines Wochenendes von dem Stoff runterbringt – auf Kräuterbasis und suchtmittelfrei, man erinnert sich nachher an nichts –, und vermutlich sollte er das Geld, das Skinny ihm gegeben hat, dazu benutzen, clean zu werden. Aber Willenskraft ist in Mossys Welt selten, und schon nach 
    kurzer Zeit ist diese Idee nur noch eine Erinnerung, und sein Geld ist wieder auf der Straße, in der Tasche des Bag Man.
    Tag um Tag verstreicht, der Winter kommt und geht, Mossy kriegt ein entzündetes Geschwür am Bein und verbringt eine Woche im Krankenhaus in einem Methadon-Programm, das einen Scheißdreck bewirkt; er ist höchstens noch geiler auf echten Stoff, als er wieder rauskommt. Der Frühling kommt, und das Leben auf der Straße wird ein bisschen einfacher, weil den traurigen Geschiedenen und den alten Bauernschwuchteln aus Gloucestershire die Sonne auf den Kopf scheint und sie zu dem Schluss kommen, dass sie erst wieder geradeaus denken können, wenn sie nach Bristol fahren und sich den Schwanz lutschen lassen. Manchmal, wenn das Geschäft flau ist, schlendert Mossy zurück – dahin, wo Skinny ihn aufgelesen hat. Dann lungert er ein bisschen herum und hofft, ihn wiederzusehen, denn – wie der BM sagt – da, wo er herkam, werden sie mehr brauchen. Da gibt’s jemanden in dieser Bude, der Appetit auf übles Zeug hat, und da geht es

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