Ritualmord
immer wieder gesagt: >Er ist Afrikanern Was soll das heißen, er ist Afrikaner?«
»Wollen Sie das wirklich wissen?«
»Ja.«
»Okay.« Sie zeigte auf den Computer. »Darf ich?«
»Der ist langsam. Könnte mich genauso gut per Modem einwählen. Bei starkem Verkehr dauert es fünf Minuten, bis eine Seite heruntergeladen ist.«
Sie zog den Drehstuhl mit den Fersen über den Boden und rollte nach vorn, um die Maus auf dem Pad zu schütteln. Der Bildschirm leuchtete auf, sie wartete auf die Verbindung, gab
ihre Suche ein – er hatte recht, der Server brauchte eine Ewigkeit – und ging auf die Seite, die sie haben wollte. »Da«, sagte sie und deutete auf das Foto.
Caffery trat zu ihr und beugte sich ein wenig herunter, um auf den Monitor zu spähen. Wenn er in der vergangenen Nacht nicht zu Hause gewesen war, hatte er doch zumindest irgendwo geduscht. Er stand dicht neben ihr und roch sauber. »Was sehe ich mir hier an?«, fragte er. »Was ist das?«
Sie dachte an etwas, woran er sich sicher erinnern würde: an die Leiche eines kleinen Jungen ohne Kopf und Glieder, die in der Themse gelegen hatte. »Adam« hatten sie ihn genannt, denn der einzige Hinweis auf seine Identität waren die orangegelben Shorts, die der Torso getragen hatte, der Inhalt seines Magens und der Umstand, dass der Mörder sorgfältig den ersten Wirbelknochen entfernt hatte. »Als Sie in London waren«, sagte sie vorsichtig, »hatten Sie da etwas mit Adam zu tun?«
»Mit Adam?«
»Der kleine Junge in der Themse. Der Torso.«
»Ja«, erwiderte er, »zwei Kollegen haben dran gearbeitet. Aber warum…« Er brach ab und starrte sie an. Sein Gesicht war plötzlich ernst und angespannt. »O Gott«, sagte er ge- presst. »Jetzt verstehe ich, wovon Sie reden.«
Sie antwortete nicht. »Adams« Spur hatte die Metropolitan Police schließlich nach Afrika geführt, wo sich der schlimmste Verdacht bestätigte: Die Farbe der Shorts und der fehlende Wirbelknochen, der Atlaswirbel, der bei vielen afrikanischen Religionen als Zentrum des Körpers galt – das alles hatte nur auf eines hingedeutet.
»Muti«, sagte Caffery leise. »Das meinen Sie doch – dass es bei diesem Mord um ein muti- Ritual ging.«
»Ja«, sagte sie, und einen Moment lang schwiegen sie beide. Muti – schwarze Magie, afrikanische Zaubermedizin. Das Wort allein genügte, um den Raum in eisige Kälte zu tauchen.
Manchmal gehörte die Ermordung und Verstümmelung eines Menschen zum religiösen Ritual. In den letzten zehn Jahren hatte es Anzeichen dafür gegeben, dass derlei Praktiken auf geheimen Pfaden nach Großbritannien vorgedrungen waren.
»Es befand sich in einem Buch, das ich gesehen habe«, sagte sie leise, als sei es unhöflich, laut darüber zu sprechen. »In einem Buch über afrikanische Zauberei und Schamanen. Da war ein Bild von abgetrennten Händen; ein Kerl in Johannesburg wurde dafür verurteilt. Er hatte sie einer Leiche abgeschnitten und an einen Geschäftsmann verkauft.«
»Was wollte der damit?«
»Angeblich locken sie Kunden ins Geschäft. Das ist der Sinn der Sache. Man vergräbt sie oder versteckt sie in den Wänden, und sie winken die Leute herein. Und nach allem, was ich in dem Buch herausfinden konnte, ist der beste Platz…«, sie zögerte. »…unter dem Eingang.«
Caffery schaute in die Ferne und konzentrierte sich auf die Gedankengänge, die sich in seinem Kopf entwickelten. Schließlich wandte er sich wieder dem Bildschirm zu. »Und das?«, fragte er ein wenig ruhiger. Ein braunes Objekt, etwa so groß wie ein zusammengeknüllter Schlafsack, in einer Vitrine.
»Das? O Gott, ich weiß nicht, warum ich Ihnen das zeigen musste. Aber es hat mir begreiflich gemacht, wie weit die Leute zu gehen bereit sind.«
Caffery beugte sich zum Monitor und betrachtete die obszönen Falten und die gelblich zerfransten Ränder. »Was ist es?«
»Was glauben Sie?«
»Ich weiß es nicht…« Keiner von beiden sagte es, aber etwas Dunkles hatte sich in den Raum geschlichen, als wäre die Sonne hinter einer Wolke verschwunden. »Ich glaube – fragen Sie mich nicht, warum – ich glaube, was ich da sehe, ist eine menschliche Haut.«
24
10. Mai
Als Mossy aufwacht, hockt Skinny ein paar Schritte weiter auf dem Boden. Zuerst ist er verwirrt. Der Raum ist von einem gespenstischen blauweißen Licht erfüllt, in dem die kleinsten Gegenstände einen Schatten werfen, und Staub, Tabakkrümel und Haare auf dem Boden scheinen elektrisch zu knistern. Skinny trägt
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