Ritualmord
schlief, einen Arm neben sich ausgestreckt. Er war sonnengebräunt und hatte sein Gesicht ins Kissen gedrückt, sodass sie die leicht angespannten Muskeln seiner Schultern sehen konnte. Sie räusperte sich und vertrieb das Bild.
»Hallo.«
Er drehte sich um. Ein verständnisloser, halb zorniger Ausdruck trat in seinen Blick, als hätte er sie nicht gleich erkannt. Dann hellte sich seine Miene auf. Er atmete durch und lächelte. »Oh, hallo. Sorry, ich war meilenweit weg.« Er zog einen Stuhl heran und deutete darauf. »Sie haben mich beim Tagträumen erwischt.«
Sie nahm die Mütze ab, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und setzte sich. »Was für einer war’s denn?«
Er lehnte sich an den Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Die eine Hand spielte mit einer Büroklammer. Er musterte sie. Sie unterließ es, allzu ausführlich darüber nachzudenken, aber sie hatte eine Menge Einzelheiten an ihm registriert, zum Beispiel, dass er keine braunen Augen hatte, wie sie ursprünglich dachte, sondern blaue, mit sehr dunklen Wimpern. So dunkel wie sein Haar. »Ich habe nicht mit Ihnen gerechnet«, sagte er. »Ich hatte nicht vor, heute mit Ihrer Einheit zu arbeiten. Anscheinend wissen Sie etwas, das ich nicht weiß.«
Sie riss sich von seinem Gesicht los und tat, als betrachtete sie das kleine Büro.
»Flea? Was führt Sie her?«
»Okay«, sagte sie langsam. »Sie müssen mir versprechen, dass das, was ich Ihnen sage, hier in diesem Zimmer bleibt.«
Er zog eine Braue hoch. »Gut.« Er lächelte ein wenig. »Lassen Sie’s drauf ankommen.«
»Na schön. Ich werde ehrlich sein. Ich habe etwas Dummes getan.«
»Aha.«
»Ich war bei Gift Mabuza. Dem Eigentümer des Moat.«
Caffery lachte ungläubig.
»Im Ernst. Ich war gestern Abend bei ihm zu Hause.«
»Er ist nicht mal im Land. Erst heute Nachmittag wieder.«
»Er ist vorzeitig zurückgekommen. Vielleicht wusste er, dass Sie ihn suchen.«
Cafferys Gesicht wurde ausdruckslos. Er ließ die Arme herabhängen. »Sie scheinen es ernst zu meinen. Sie haben wirklich mit ihm gesprochen.«
»Ich habe nicht gesagt, dass es dienstlich war.«
»Was haben Sie ihm dann gesagt, wer Sie sind?«
»Ich habe gar nichts gesagt. Ich war mit einem Freund da, der ihn kennt.«
Er schnippte die Büroklammer in den Papierkorb. »Ziemlich dumm, wenn ich das sagen darf. Saudumm sogar.«
»Ich weiß.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber er wird nicht abhauen, da bin ich sicher. Er wartet auf Sie. Und… da wir gerade von saudumm sprechen: Ich habe noch etwas getan.« Sie wühlte in ihrer Hosentasche herum und holte den Ziplockbeutel mit den Teppichfasern heraus. Auf der flachen Hand hielt sie ihm den Beutel hin. »Die sind von seinem Teppich.«
Er nahm den Beutel. »Was, die hier?«
»Sie haben gesagt, an den Händen waren Teppichfasern. Deshalb dachte ich… ich dachte, das könnte vielleicht helfen.«
Caffery drehte den Beutel hin und her. Dann ging er zum Aktenschrank, nahm einen Asservatenbeutel aus Papier heraus und schob ihn hinein. Er zog die Kappe von einem Stift und schien zu überlegen, was er daraufschreiben solle. Dann überlegte er es sich anders, notierte sich etwas auf einem Post-it und klebte es auf die Tüte.
»Ich bin nicht gewaltsam eingedrungen. Ich war legal da.«
»Sie kennen die Vorschriften gut genug. Das Problem ist der Unterschied zwischen Zustimmung und echter Zustimmung. Sie haben niemandem gesagt, wer Sie sind, und Sie haben eine private Beziehung benutzt, um an Informationen zu kommen«, sagte er mit geduldig monotoner Stimme. »Hoffen wir, dass sein Anwalt schläft oder dass er keine Lust hat, die Sache zu überprüfen, denn sonst könnten sie sagen, Sie hätten unautorisiert UC gearbeitet.«
Flea biss die Zähne zusammen. Sie sagte sich, sie würde es nicht tun, aber sie hatte gute Lust zu gehen. UC bedeutete »Undercover«, und Caffery hatte wahrscheinlich recht: Ein Anwalt könnte sie dafür drankriegen. Aber sie wollte sich nicht von ihm abschrecken lassen und zwang sich zu einer aufrechten Haltung. Es war eine körperliche Sache. Die Schultern zurück – dann fühlte sie sich stärker.
»Was ist mit den Fasern?«, fragte sie. »Sehen sie aus wie die an den Händen?«
Es schien, als habe er sie nicht gehört. Er schaute immer noch die Papiertüte an und machte dabei ein Gesicht, als teilten die Fasern ihm etwas mit. »Sind das die gleichen wie die an den Händen?«
Caffery ging nicht darauf ein. »Sie haben gestern
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