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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Hände an einem Küchentuch abgewischt hatte! »Flea?«
    Sie drehte sich um. Thom stand in der Tür, in seiner nervösen Haltung, die Füße in einem seltsamen Winkel zueinander gestellt wie ein Fohlen, das nicht sicher ist, ob seine Beine es wirklich tragen. »Entschuldige«, sagte er zaghaft. »Die Tür war offen.«
    »Ach, Schatz. Das ist doch okay.« Sie ging zu ihm und streckte die Hand aus, um sein Gesicht zu berühren. Ihr kleiner Bruder. Der arme, arme Thom. »Es ist so schön, dich zu sehen.« Er lächelte. Seine Haut war immer noch so blass und zart wie in seiner Kindheit, und die Tränensäcke unter seinen blauen Augen, die ihn immer aussehen ließen, als hätte er Angst einzuschlafen, waren heute sehr ausgeprägt. »Hier. Setz dich.« Sie zog einen Stuhl heran und klopfte mit der flachen Hand darauf.
    Er nahm Platz und legte die Hände unbeholfen auf die Knie. 

    »Ich setze Wasser auf und mache dir Tee.«
    »Was tust du da?« Er deutete auf die Sachen, die sie zum Kochen gebraucht hatte: Olivenöl, Knoblauch, Nudelglas.
    Sie nahm den schweren Topf vom Herd und schob Knoblauch und Zwiebeln in die Tomaten. Dann stellte sie den Topf in die Spüle und ließ Wasser hineinlaufen.
    »Flea?«
    »Ja? Was?«
    »Was du da machst.«
    »Wie sieht es aus?«
    »Wie Kochen. Aber du benimmst dich merkwürdig.«
    Sie blieb vor der Spüle stehen, die eine Hand auf der Hüfte, die andere am Wasserhahn, und beobachtete, wie sich auf dem Wasser im Topf gelbe Fettaugen bildeten. Sie hörte das Krächzen der Krähen in den Zedern am Rand des Gartens, dachte an Mum, die vom Weg zwischen den Bäumen zu ihr herübergeschaut und geflüstert hatte: Wir sind in die andere Richtung gegangen.
    »Flea? Was ist los? Du machst mir Angst.«
    Sie drehte sich um. »Thom, ich weiß, du sprichst nicht gern darüber.«
    »Worüber?«
    »Über… über, du weißt schon. Wie das alles passiert ist. Der Unfall.«
    Einen Augenblick lang war es still, und sie schauten einander an. Langsam färbten sich Thoms Wangen rot. Der Rest seines Gesichts blieb blass.
    »Der Unfall«, wiederholte sie, leiser jetzt. »Eines Tages werden wir darüber sprechen müssen. Über das, woran du dich erinnerst.«
    Ein paar Sekunden lang tat er nichts, starrte sie nur an. Dann begann er, mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln. Ein leises Summen stieg in seiner Kehle auf. Thom hatte eine Narbe an der Seele, die niemand berühren durfte, und es gab 

    Dinge, an die er nicht denken konnte. Seine Schuld trug er immer mit sich herum. Geräuschvoll schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. Er wandte ihr den Rücken zu, ging zum Herd und betrachtete den Topf mit den Tomaten. Er schüttelte sie, schob Utensilien hin und her und sammelte Löffel und Bratenwender ein, als verfolgte er eine Absicht. Sein Haar war so fein und blond, dass die sonnengebräunte Kopfhaut durchschimmerte, und sein Nacken wirkte verwundbar.
    »Weißt du was?«, sagte er im Plauderton. »In meinem Job geht’s mir nicht gut. Ich komm da eigentlich nicht zurecht.«
    »Thom, ich möchte nur…«
    »Um bei der Wahrheit zu bleiben, ich würde sagen, dass es sich allmählich auf uns auswirkt. Auf mich und Mandy.«
    »Bitte hör mir zu…«
    »Und um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Mehr denn je. Alles wegen dieses Jobs.«
    Flea klappte den Mund zu. Sie wusste, dass Trauernde häufig eine Verleugnungshaltung einnahmen, aber irgendwie hatte sie sich doch immer eingebildet, dass Thom eines Tages über den Unfall sprechen würde, wenn man ihn dazu zwang. Sie hatte gedacht, er habe seine Schuldgefühle inzwischen verarbeitet und ein rationales Verhältnis dazu gefunden. Aber nein, da stand er und blendete sie aus, als hätte er kein Wort von dem, was sie sagte, gehört. Seufzend setzte sie sich an den Tisch.
    »Ich ertrage es nicht mehr.« Er stocherte in den Tomaten herum. »Ich sitze in der Falle.«
    »Wirklich?«, fragte sie knapp, teils verärgert über ihn, teils stinksauer auf sich selbst, weil sie dieses Thema angeschnitten hatte. »Das wusste ich nicht.«
    Sie schwiegen; Thom rührte in den Tomaten, während Flea dasaß und ihn beobachtete.
    »Wie auch immer«, sagte er nach einer Weile. Er riss ein Stück Küchenkrepp ab, legte den Löffel darauf und räusperte sich. »Ich glaube, ich hab was Neues.« 

    »Was denn?«
    »Ein paar Leute, die ich kenne. Sie importieren Kronleuchter aus der Tschechischen Republik. Die sind schön – besser als alles, was man hier in den

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