Ritus
zu schieben. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so schnell vermisse«, gestand er, nahm ihre Hand und küsste sie. »Ich fühle mich wie ein junger Spund in seinem ersten Frühling.« Er wurde ernster. »Der Jesuit weiß es, nicht wahr?«
Sie nickte. »Jean, es ist meine Schuld, dass der Legatus auftauchte. Und es kann sein, dass andere schon Antoine auf der Spur sind.« Rasch berichtete sie von der Nachricht, die sie geschrieben hatte, und wie sie in den Besitz der Kleider des Unbekannten gekommen war, der mit einem besonderen Freibrief des Papstes nach Frankreich gereist kam und unter seltsamen Umständen verschwunden war. »Ich glaube, dass er von der Bestie getötet worden ist.«
Jean dachte sofort an den Mann, den Antoine im Vivarais erschossen hatte. »Nein, nicht die Bestie hat ihn getötet. Ich denke, wir waren es«, flüsterte er verwirrt. »Von diesem Mann, dessen Leiche ich in den Bach warf, haben wir nie wieder etwas gehört. Keiner vermisste ihn, niemand fand seine Überreste in einem Wehr oder in einem Mühlendamm.«
»Wenn er ein Garou war, kann er nicht der Gesandte aus Rom gewesen sein«, widersprach sie. »Niemals würde der Heilige Stuhl eine solche Kreatur der Hölle auf seiner Seite streiten lassen.«
»Dann hat ihn unser Garou erst zu einem gemacht. Ist der Gesandte ins Gevaudan gekommen, um etwas im Auftrag Roms zu untersuchen, kann er bei seiner Wanderung auf die Bestie gestoßen sein. Sie ist ein Weibchen. Vielleicht brauchte sie ein Männchen, um sich begatten zu lassen.« Er setzte sich ins Gras. »Ja, so wird es gewesen sein. Wir haben ihr den Mann genommen, und sie rächt sich dafür.«
»Damit wissen wir immer noch nicht, was er hier wollte.«
»Und wenn er zufällig durch unsere Region wanderte?« Jean rupfte einen Halm ab und zerpflückte ihn zwischen seinen Fingern. »Es ist müßig, dass wir uns die Köpfe zerbrechen. König Louis behauptet nach wie vor, sie sei tot, und unternimmt nichts mehr. Der Legatus hat den Menschen lediglich bewiesen, dass Gott auf sich warten lässt. Der junge Marquis d’Apcher hat mich zusammen mit einigen anderen Jägern eingeladen, die Bestie zu stellen.« Jean schaute sie gefasst an. »Ich fühle, dass es Antoines Ende sein wird, doch er stirbt wenigstens durch meine Hand und nicht durch die des Jesuiten. Ich werde die Wahrheit geheim halten, so lange es geht. Nicht wegen mir, sondern wegen Pierre und Florence. Sie sollen, falls sie eines Tages ins Gevaudan zurückkehren, in Ruhe leben dürfen.«
Gregoria sah ihn erstaunt an. »Du wirst also deine Zustimmung zu ihrer Heirat geben?« Sie wirkte nicht wirklich fröhlich. Du musst es ihm sagen! Sie sammelte ihre Gedanken, um ihm ein Geständnis zu machen.
Doch er nickte und sprach: »Ich habe es eingesehen. Pierre liebt sie, und je eher sie ein Paar sind und von hier weg kommen, umso besser für die beiden. Sie haben eine Zukunft außerhalb des Gevaudan vor sich. Ich werde hier bleiben. Bei dir. Diese eine Nacht, die wir teilten, hat mich ewig an dich gebunden. Keine andere Frau wird mein Herz erobern können.« Er schaute zu ihr auf. »Wenn ich könnte, Gregoria, würde ich dich auf der Stelle zu meiner Gemahlin nehmen.«
»Was ist mit dem Weibchen?«, lenkte sie ab. Sie machte einen nervösen, angespannten Eindruck. »Meinst du, der Marquis und ihr fangt beide Garous an einem Tag?«
»Sie wird da sein, um Antoine zu beschützen, das ist sicher. Und dann wird sie mit ihm zusammen durch die Silberkugeln vergehen.« Er benutzte die Muskete als Stütze und erhob sich aus dem Gras. Dann berührte er sie am Arm und küsste sie lange und zärtlich auf die Stirn. »Sei unbesorgt. Ich werde bald sehen, ob ich zu Gott Vertrauen haben darf oder nicht.«
Er war schon halb durch den Strauch zurück auf den Weg getreten, als ihre Stimme ihn in den Rücken traf. »Jean, ich …«
»Ja?«
Sie senkte schnell den Kopf, damit er nicht in ihr Gesicht schauen konnte. »Ich … ich wünsche dir eine sichere Hand, damit dein Sohn nicht leiden muss.«
»Ich werde dich rufen lassen, wie du es wolltest, sobald ich die Garous erschossen habe.«
»Nein! Nein, ich will nicht mehr. Ich bleibe in der Kirche und bete, dass Gott die Seelen der Armen in den Himmel aufnimmt. Antoine und das Weibchen können im Grunde nichts für die schrecklichen Taten, die sie begingen.«
Er nickte und verschwand.
Gregoria blieb allein zurück und hielt ihre Beherrschung gerade lange genug aufrecht, doch als die dunkelgrünen
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