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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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»dass Ihr mir diese Silberkugeln und meine Muskete segnet. Die Bestie soll durch sie sterben.« Er öffnete die Hand und zeigte drei runde, polierte Kugeln, die im Sonnenlicht glänzten.
    Die Menschen um ihn herum begannen aufgeregt zu tuscheln. Dass ausgerechnet Chastel mit seinen seltsamen Söhnen, dem ruhigen Pierre und dem wahnsinnigen Antoine, sich auf Pilgerfahrt begab und sein Haupt vor der Notre Dame de Beaulieu neigte, anstatt sich zwischen seinen geliebten Bäumen zu verkriechen, musste einfach etwas zu bedeuten haben! Schon machte die geflüsterte Parole vom Zeichen Gottes die Runde.
    » Das ist Chastel, richtig? Sehr aufschlussreich, diese Bitte«, bemerkte der Legatus leise. »Habt Ihr ihn bekehrt, ehrwürdige Äbtissin – in nur einer einzigen Nacht? Das wäre doch selbst für eine Frau Eurer Frömmigkeit ein zu großes Unterfangen.«
    Gregoria erwiderte nichts und bat Gott wegen ihrer Mordgedanken um Vergebung.
    Der Bischof hatte derweil die genauere Betrachtung der Geschosse beendet. »Das sind Werkzeuge des Todes«, sagte er mit Bedacht. »Wer sagt mir, dass Ihr sie nicht gegen einen Menschen einsetzt und Gott damit schändet?«
    Jean trat energisch noch weiter vor und hätte den Geistlichen nun am Kragen packen können, wenn er gewollt hätte. »Ehrwürdiger Abbé, in den letzten drei Jahren sind mehr als hundert Frauen und Kinder durch diese Kreatur getötet worden. Auch ich habe Menschen verloren, die mir nahe standen oder die ich zumindest kannte.« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Weiht sie, Abbé! Weiht sie, damit Gott mir seinen Segen gibt und ich die Bestie töte, um die Leute des Gevaudan zu erlösen und meinen Glauben an den Herrn zurückzuerlangen.« Er nahm die Waffe von der Schulter und hielt sie ihm hin.
    »Aber natürlich … das Mädchen«, sagte Francesco mit falscher Anteilnahme in der Stimme. »Man sagte mir, er habe der Beisetzung der kleinen Marie Denty beigewohnt und ebenso viele Tränen vergossen wie die unglückliche Mutter.« Er beobachtete den Wildhüter, der es seinerseits vermied, zur Äbtissin zu schauen. »Nun, Euer Körper besitzt wohl wirklich die Kräfte einer Heiligen«, sagte er gedämpft. »Hätte man Euch zur Mission in die Welt hinausgesandt, gäbe es keine Muselmanen und Juden mehr. Jedenfalls keine männlichen.«
    »Ihr geht zu weit, Exzellenz!«, wehrte sie sich. »Noch eine solche Bemerkung …«
    »Und dann?« Er beugte sich zu ihr. »Bleibt ruhig, ehrwürdige Äbtissin. Ihr werdet sie artig ertragen und dankbar als erste Buße für Eure Tat verstehen.«
    Gregorias Finger krallten sich ineinander.
    »Tut es, ehrwürdiger Abbé!«, bat eine ältere Bäuerin neben Jean flehentlich. »Vielleicht gelingt ihm das, was die ganzen Fremden nicht vermochten. Drei Jahre sind genug.«
    »Seht Ihr – Euch und Euren Männern wird kein Vertrauen geschenkt, Exzellenz«, erlaubte sich Gregoria zu sagen. »Ihr solltet Euch etwas mehr anstrengen, um Euren Ruf und den der Kirche zu bewahren.«
    »Wenn Chastel sie erlegt, umso besser.« Francesco zog eine silberne Nadel aus seinem Gürtel hervor. »Das Vertrauen in Gott wäre im Gevaudan erst recht wieder hergestellt. Ein halber Heide erhält den Segen und tötet die Bestie. Dazu gebe ich gern mein Einverständnis.«
    Aus der Menge ertönten weitere Aufforderungen, die immer lauter und rigoroser klangen. Der Bischof schlug das Kreuz über den Silberkugeln und der Muskete in die Luft, besprengte sie mit Weihwasser und legte eine Hand darauf. Jean nickte zum Dank und verschwand wieder in den Reihen der Pilger.
    Der Legatus nickte Gregoria zu. »Wir sprechen uns später, ehrwürdige Äbtissin.« Er bedeutete seinen Männern, ihm zu folgen, und bahnte sich einen Weg durch die Menschen. »Monsieur Chastel, auf ein Wort«, rief er dem Mann nach.
     
    Jean tat so, als habe er den Ruf nicht gehört. Erst, als sich die Hand des Legatus auf seine Schulter legte, konnte er ihn nicht länger ignorieren. »Was wollt Ihr?«
    Francesco berührte seinen Dreispitz. »Ich grüße Euch, Monsieur Chastel. Eine Vorstellung dürfte überflüssig sein, wenn ich mich nicht täusche.« Er lächelte. »Wir verfolgen das gleiche Ziel: die Bestie. Ich dachte, dass wir uns gegenseitig helfen können. Ihr seid der Mann, welcher dem Untier am häufigsten gegenüberstand.«
    »Und Ihr seid der Legatus aus Rom, der die Bestie nicht einmal gesehen hat«, brummte Jean. »Das sagen die Leute zumindest.«
    »Das könnte daran liegen, dass sie sich als

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