Ritus
allmählich heiser wurde.
»Bonjour, ehrwürdige Äbtissin«, sagte Legatus Francesco neben ihr und wirkte sehr vergnügt. Inzwischen hasste sie seinen italienischen Akzent. Er trug wie immer einfach geschnittene Kleidung, aber aus gutem, teurem Tuch. Um ihn herum standen fünf seiner Leute. »Kann ich mit Euch sprechen?«
»Ein ungünstiger Zeitpunkt, Exzellenz …«
Er beugte sich zu ihr. »Es war vor ein paar Nächten auch ein ungünstiger Zeitpunkt für eine Äbtissin, sich mit einem Mann zu vergnügen. Ich könnte den Bischof darüber in Kenntnis setzen«, raunte er und deutete auf Abbé Prolhac, der nur wenige Schritte entfernt stand. Er zog den Kopf zurück und lächelte wie ein gütiger Heiliger. »Können wir nun reden?«
»Gebt mir einen Augenblick.« Gregoria schickte Nonnen, um neues Quellwasser zu besorgen, das durch ein paar wenige Gesten zu Weihwasser wurde. Anderen Schwestern trug sie auf, die Gaben entgegenzunehmen, welche die Menschen für den Mann Gottes mitgebracht hatten, um entweder sein oder das Wohlgefallen des Herrn selbst auf sich zu ziehen.
»Was wollt Ihr, Exzellenz?«, wandte sie sich schließlich an ihn und verbarg ihre Angst hinter Schroffheit und Kühle. »Möchtet Ihr mir und den Menschen verkünden, dass Ihr die Bestie endlich erlegt habt?«
Er fasste sie beim Ellbogen und zog sie etwas zur Seite. »Leider nein, ehrwürdige Äbtissin. Ich kam, um Euch nach diesen Chastels zu befragen. Der Name begegnet mir unentwegt, und ich wurde hellhörig, als mir meine Männer sagten, dass Jean Chastel lange bei Euch verweilte.«
»Eure Unterstellungen sind infam. Er wollte … beichten.« Gregoria bemerkte selbst, wie fadenscheinig diese Worte aus ihrem Mund klangen, und für einen Mann wie Francesco, dessen Aufgabe darin bestand, die Wahrheit zu erkennen, war es ein Leichtes, sie zu entlarven.
»Er hat Euch wohl etwas offenbart, und es hatte sicherlich mit der Sünde zu tun«, gab er zurück, während das Lächeln von seinem Gesicht glitt. »Haltet mich nicht zum Narren, ehrwürdige Äbtissin. Streitet nicht ab, dass Ihr es mit ihm getrieben habt. Meine Männer haben Ohren, um zu hören. Und vergesst nicht, dass es Schlüssellöcher gibt. Keine sehr würdige Art, um Ermittlungen anzustellen … aber Würde scheint in diesem Zusammenhang auch mehr als unangemessen zu sein, meint Ihr nicht?« Er lächelte ansatzlos. »Ich müsste außer dem Bischof natürlich den Pontifex über Eure Verfehlung in Kenntnis setzen. Ihr würdet Euer Amt verlieren, Eure Ehre. Ganz zu schweigen von Eurer Familie, die einen guten Namen in …«
Gregoria fiel ihm eisig ins Wort. »Sprecht aus, Exzellenz, was Ihr verlangt.«
»Ich bitte Euch, mir jede noch so kleine Erkenntnis über die Familie Chastel mitzuteilen. Jedes Detail. Und damit meine ich nicht die Beschaffenheit des Gemächts von Jean Chastel.« Francesco bereitete diese Unterredung offensichtlich große Freude.
»Was wollt Ihr von den Chastels?«, tat sie verwundert.
»Wie ich bereits andeutete: Ich habe den Namen im vergangenen Monat sehr oft gehört, ganz gleich, wohin ich und meine Männer kamen. Der Vater scheint geradezu besessen von der Jagd zu sein. Und – o Wunder – wo immer er sich befand, da geschah ein Mord. Plötzlich ist einer seiner Söhne verschwunden. Dieser Antoine, der mit dem schlechten Ruf – einfach weg, wie vom Erdboden verschluckt. Genau wie seine Hunde. Und ich hörte, dass sich Pierre und Antoine sehr für Euer reizendes Mündel interessierten.« Er ließ den Blick über die Menge schweifen. »Findet Ihr nicht auch, dass es einige zu enge Verbindungen zwischen Euch, den Chastels und der Bestie gibt, ehrwürdige Äbtissin?« Sein Blick wurde hart. »Welche Rolle spielt Jean Chastel?«
Sie hatte ihm schweigend zugehört und dabei fieberhaft überlegt, wie sie den Schlingen entkam, die er mit seinen Äußerungen auslegte. Gregoria entschied sich für den Angriff. »Ihr seid es gewohnt, dass die Menschen vor Euch erzittern, nicht wahr, Exzellenz?«, bemerkte sie schneidend und sah ihn voller Arroganz an.
»Meine beste Waffe ist das schlechte Gewissen derer, mit denen ich mich unterhalte«, gab er ungerührt zurück. »Wie bei Euch, ehrwürdige Äbtissin. Ihr werdet mir auf der Stelle …«
Unvermittelt erschien Jean Chastel, die Muskete über der Schulter, vor dem Bischof und schaute flüchtig zur Äbtissin und Francesco herüber. Er hielt dem Abbé die Faust hin. »Ich möchte«, sagte er mit lauter, klarer Stimme,
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