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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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recht, dass der Legatus nicht auftauchte. Bislang hatte er ein erneutes Zusammentreffen vermeiden können. Mehrmals war er mit zwei Wachen vor Antoines Hütte erschienen; bei seinem letzten Besuch hatte er regelrecht herumgeschnüffelt und wäre sicher in die Scheune und ins Haus eingebrochen, wenn nicht plötzlich Surtout und andere Hunde aus Antoines Meute aufgetaucht wären. Der Jesuit floh vor den Hunden, einer seiner Leute wurde den Schreien nach zu urteilen schwer verletzt. Seitdem hatten sie den Legatus nicht mehr gesehen. Und auch die Hunde nicht mehr. Jean konnte sich nicht erklären, wo das Rudel abgeblieben war. Hatte der Jesuit sie erschießen lassen?
    Plötzlich erklangen laute Hornsignale, welche die Jäger zum Ausgangspunkt zurückriefen: Der Wald sollte umstellt werden.
    »Der Marquis hat mich wohl vernommen«, sagte Malesky grimmig grinsend und wandte sich um. »Gehen wir.«
    Der Wildhüter rührte sich nicht.
    »Monsieur Chastel, kommt Ihr?«
    »Nein«, gab der nach einer Weile zur Antwort. »Monsieur Malesky, wir bleiben. Die Bestie wird das Signal gehört haben und die Geräusche im Wald zu deuten wissen. Wenn sie aus ihrem Versteck kommt und nach einem Fluchtweg sucht, sind wir mit ein wenig Glück die Ersten, die sie sehen.« Er schaute ihn bittend an. »Helft mir, Antoines Geheimnis zu bewahren, Monsieur Malesky.«
    »Und wenn wir zuerst auf das Weibchen treffen?«
    »Das sehen wir dann. Seid Ihr dennoch mit mir, Monsieur Malesky?«
    Dieser klemmte seine Muskete unter den Arm, polierte sein Pincenez und setzte es auf. »Sicher, Monsieur Chastel.«
    Die drei Männer verharrten in dem Wäldchen und horchten auf die vielen Schritte der Jäger, die sich immer weiter von ihnen entfernten, bis man lediglich Rascheln und kaum vernehmbare Rufe von ihnen hörte.
    Absolute, drückende Stille senkte sich herab, wie es die beiden Chastels vom verhängnisvollen Tag vor drei Jahren kannten; selbst die Vögel wagten es nicht, ihren Gesang erklingen zu lassen.
    »Eine der Bestien ist sicherlich hier«, raunte Pierre und hielt seine Waffe höher.
    Es knackte links von ihnen im Unterholz. Malesky riss die Muskete in den Anschlag und visierte die Stelle, an der vier menschengroße Schatten von Baumstamm zu Baumstamm in Deckung huschten. »Heilige Mutter Gottes«, flüsterte er, »sie haben sich tatsächlich vermehrt!«
    Jean begann ebenfalls zu zielen, seine Handflächen waren klamm vom kalten Schweiß, den ihm die Angst aus den Poren trieb. Pierre sicherte den Rücken, damit sie nicht von hinten überfallen wurden.
    »Wie viele, Monsieur Malesky?«, wollte Jean wissen.
    »Ich habe nach den vier noch drei weitere gezählt, Monsieur Chastel«, antwortete er leise. »Es kam mir eben in den Sinn, dass wir unterbewaffnet sind. Euch auch?«
    Jean lachte böse. »Das ist meine Art, Gott auf die Probe zu stellen.«
    Unvermittelt schob sich der Lauf einer Muskete aus dem Busch vor ihnen, das Gestrüpp teilte sich und ein Mann in einem langen Mantel trat daraus hervor. Er gehörte nicht zur Jagdgesellschaft. »Runter mit den Waffen«, befahl er mit einem singenden Akzent. »Sofort.«
    Malesky grinste. »Monsieur, Ihr habt eine Doppelläufige, aber wir sind drei. Seid Ihr ein schlechter Rechner oder ein Wunderschütze?«
    Pierre schaute über die Schulter. »Seid Ihr auf die zehntausend Livres aus, so geht Eurer Wege. Die Prämie ist nicht mehr ausgesetzt, der König hat die Bestie für tot erklärt.«
    Jean kannte den Mann nicht. Es war keiner von den Jägern des Marquis oder aus dem Gevaudan, und das beunruhigte ihn. Der Legatus hatte seine Männer gesandt und versuchte demnach, die Bestie heimlich zu erledigen. »Schickt Euch der Italiener?«, versuchte er es und sah, dass er es geschafft hatte, den Unbekannten zu überraschen. Allerdings war die Antwort auf seine Bemerkung wenig erfreulich: Der Mann drückte ab.
    Maleskys linke Schulter wurde getroffen, aber der Moldawier behielt die Nerven und erwiderte das Feuer ebenso wie Jean. Beide trafen den Fremden in den Kopf, und die von den Kugeln beinahe enthauptete Leiche kippte zuckend zurück ins Gebüsch.
    »Pierre, Vorsicht!«, warnte Malesky, warf sich hinter einen dicken Stamm und machte sich ans Nachladen; auch die Chastels suchten eine Deckung. »Es sind noch vier übrig.« Er tastete nach der Wunde in der Schulter, aus der Blut sickerte, das den Gehrock rot färbte.
    »Ihr seid verletzt!«, rief Pierre erschrocken.
    »Nicht schlimm. Es hat nur Fleisch

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