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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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brennenden Schweiß aus den Augen und starrte in den Wald. »Dann wieder zurück.« Mit der gleichen mörderischen Geschwindigkeit machten sie sich auf den Rückweg, die Augen auf den Boden gerichtet, um die Fährte der Kreatur zu finden.
     
    Malesky hielt den Atem an, um sich nicht zu verraten, und ließ den Letzten der unbekannten Angreifer an sich vorbeilaufen. Erst, als der Mann dicht an seinem Versteck vorbeigerannt war, hob er die gespannte Pistole Pierres, richtete sie auf den Hinterkopf und schoss.
    Das Loch, das die Kugel beim Eindringen schlug, war klein, aber auf ihrer Reise von hinten quer durch den Schädel bis zur Nasenspitze brachte sie Verderben. Der Mann fiel tot auf die Erde.
    Malesky rollte sich vorsichtig auf den Rücken, stand auf, indem er sich am Baumstamm nach oben schob, und griff nach seiner leer geschossenen Muskete. Eigentlich hatte er einen Garou töten und sich nicht mit den himmlischen Heerscharen des Papstes anlegen wollen. Mit zusammengebissenen Zähnen und behutsamen Bewegungen versah er die Läufe mit Pulver und Kugeln; die Schmerzen in seiner getroffenen Schulter steigerten sich.
    Er war eben fertig geworden, als das grollende Knurren neben ihm erklang.
    Malesky schwenkte die Muskete sofort herum und richtete sie dahin, von wo der Ton kam. Da war sie! Er sah die Bestie, die keine sechs Schritte von ihm geduckt lauerte und sich zum Sprung bereithielt.
    Er beging nicht den Fehler, ihr in die rot glühenden, lähmenden Augen zu schauen, sondern visierte die lange, hässliche Schnauze an und betätigte den Abzug. Der Rückstoß pflanzte sich durch seinen Körper bis zu seiner Schusswunde fort. Er schrie. Alle Kraft wich aus dem linken Arm, und die schwere Muskete entglitt ihm.
    Als sich der Pulverdampf lichtete, erkannte Malesky den stinkenden Kadaver der Bestie einen Schritt vor sich. Blut lief aus zwei Wunden in der Brust und rann über das Laub. »Habe ich dich endlich erledigt«, sagte er erstaunt und zog seinen silbernen Dolch, um ihn sicherheitshalber in das Herz des Garous zu senken.
    Er ging in die Hocke, wälzte die Bestie auf den Rücken, spreizte die Hinterläufe und sah nach: Es war eindeutig zu erkennen, dass es sich um das Männchen handelte. Antoine. Der Moldawier setzte die Klinge in Höhe des Herzens an – und bemerkte den Fehler, den er begangen hatte.
    Die Lider schnellten in die Höhe, das Rot funkelte grausam. »Keine Silberkugeln«, krächzte Antoine boshaft. »Ich habe dich beobachtet.« Er warf sich herum und stieß Malesky dabei um, die Schnauze mit den scharfen Zähnen flog heran und biss die Hand mit dem Silberdolch ab. Knochen, Muskeln und Sehnen zerrissen mit einem schrecklichen Laut.
    Die gellenden Schreie Maleskys schallten nur kurz durch den Wald, dann zerfetzte die Bestie seine Kehle und durchtrennte mit ihren kräftigen Kiefern die Nackenwirbel.

XXXII.
KAPITEL
    Kroatien, Plitvice, 22. November 2004, 22:33 Uhr
     
    Eric war zurück im Land der Bestie. Seine Wut hatte sich nicht sonderlich gelegt, und die Sorge um Lena machte ihn halb wahnsinnig.
    Sein Weg führte ihn vom Flughafen in die Stadt. Ein kurzer Fußmarsch brachte ihn von seinem zu jenem anderen Hotel, wo er hoffte, auf die mysteriöse Nonne zu treffen.
    Eilig betrat er die Eingangshalle durch die Schwingtür und schüttelte den Schnee von seinen Schultern auf den teuren Teppichboden. Er war der einzige Gast in der Lobby, neugierig beäugt von den beiden Damen hinter der Rezeption.
    »Guten Tag.« Er behielt seinen falschen spanischen Akzent, den er schon am Telefon benutzt hatte, und das schlechte Englisch bei. »Ich suche eine Nonne, die hier abgestiegen sein soll. Ich habe etwas gefunden, was ihr gehört.«
    »Oh, das war sicher Schwester Ignatia«, sagte die Jüngere der Empfangsdamen. »Soll ich Sie anmelden?«
    Eric setzte seinen Charme ein, um sie davon abzuhalten. Wenige Augenblicke später nannte sie ihm verlegen kichernd die Zimmernummer. Es lief bestens.
    Eric ging zum Fahrstuhl. Der Lift brachte ihn gehorsam nach oben, in die vierte Etage. Er schlenderte den Flur entlang bis vor Zimmer 419 und lauschte. Mindestens zwei Personen befanden sich darin, so viel hörte er; sie unterhielten sich leise, und eine von ihnen lief dabei auf und ab. Eric atmete tief durch und klopfte.
    Es wurde ihm von einer jungen Frau geöffnet, die höchstens zwanzig Jahre alt war und kein Habit trug. Sie war dafür in altbackene Mode gekleidet, und am Revers der unattraktivsten Bluse der Welt haftete ein

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