Ritus
»Dann öffnen Sie mir bitte aus reiner Freundlichkeit die Augen. Ich würde gerne wissen, wer noch alles an diesem Spiel beteiligt ist.« Er legte die Pistole auf das Bett. »Wer sind die Lycáoniten? Haben sie Lena entführt? Oder war es Ihr Orden?«
»Und wer sind Sie ?«
»Sie zuerst, Schwester.« Als sie beharrlich schwieg, gab er nach. Diese verdammte Angst um Lena zwang ihn zu Kompromissen, die er früher nicht eingegangen war. »Mein Name ist Eric von Kastell, und ich denke, wir verfolgen die gleichen Absichten. Ich jage die Bestie …«
»Sie sind also einer der unbekannten Kämpfer für das Gute! In den Archiven in Rom gibt es Überlieferungen, aber … wir ahnten lediglich, dass es Menschen wie Sie gibt. Menschen, die das Böse stellen, ohne der Kirche anzugehören.«
Eric nickte. »Scheint, als hätten wir beide unsere Hausaufgaben nicht gemacht.«
Sie schwieg und dachte lange nach. »Ich kann Ihnen nicht viel sagen.« Sie schaute ihn unvermittelt freundlich an. »Schwester Emanuela war in dieser Nacht im Wald und hielt nach der Bestie Ausschau. Wir wissen, dass das Scheusal Nachwuchs geboren hat …«
»Was?« Eric ärgerte sich noch mehr, dass er den Kampf nicht hatte zu Ende bringen können.
Ignatia verzieh ihm die Unterbrechung. »Wir haben erfahren, dass die Welpen von den Lycáoniten entführt und mit einem Hubschrauber außer Landes gebracht werden sollen.«
Eric runzelte die Stirn. »Nichts gegen Sie, aber zwei Nonnen sollen das verhindern?«
»Nicht verhindern. Wir sollen sie zuerst finden und in Sicherheit bringen.«
Jetzt verstand er gar nichts mehr. »Die Welpen wollen Sie in Sicherheit bringen? Nun, dann habe ich etwas missverstanden. Es geht mir nicht um die Sicherheit der Welpen, sondern um die Sicherheit der Menschen. Und die wird erst gewährleistet sein, wenn alle Nachkommen der Bestie getötet sind.«
Ignatia lächelte nachsichtig. »Sind die Welpen erst mal in Sicherheit, ist damit auch die Menschheit in Sicherheit. Sind Sie mit dieser Antwort zufriedener?«
»Ich bin zufrieden, wenn ich weiß, wo die Kreatur ist. Und was es mit diesen anderen auf sich hat, den Lycáoniten.« Er suchte ihren Blick. »Bitte, geben Sie mir einen Hinweis, wer es noch auf die Bestie abgesehen hat! Was die Motive der Gruppe sind! Wie viele Mitglieder hat sie oder …« Er schluckte. »Oder wo Lena ist.«
»Tut mir Leid, doch ich kann es Ihnen nicht sagen.« Sie blieb hart.
Eric ballte die Fäuste und überlegte fieberhaft, was er tun konnte, um sie zum Sprechen zu bringen. Es interessierte ihn nicht, ob ein christlicher Orden die Welpen verwahren wollte oder nicht. Tatsache blieb, dass die Bestie und ihre Brut nicht tot waren. »Schwester, um es mit Ihrem Bild zu sagen: Der Teufel lässt sich nicht zähmen.«
»Herr von Kastell.« Ignatia breitete die Arme aus. »Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, ja, es ehrt Sie geradezu, aber Sie haben mit den Tieren nichts mehr zu tun. Fahren Sie nach Hause, suchen Sie Ihre Lena oder jagen Sie andere Wesen.«
Ihre bevormundende Art gefiel ihm nicht. Sein Blutdruck stieg. Noch war das Gespräch schrecklich unbefriedigend, und je mehr er reden musste, desto weiter entfernte sich der letzte Nachkomme der Bestie von ihm. »Was ist das für ein seltsamer christlicher Orden, der über die Bestie Bescheid weiß? Horten Sie die Biester in einer Art Arche Noah des Schreckens?«
Ignatia lachte. »Einen guten Titel für einen schlechten Horrorfilm haben Sie da eben entworfen, Herr von Kastell.«
Eric hatte genug. Die Zeit für Samthandschuhe war abgelaufen. »Kann ich mal Ihren Nonnen-Clubausweis sehen?«, verlangte er barsch. Er sah, wie sich die Schuhe der Jüngeren bewegten. Sie kam offenbar wieder zu sich und rutschte langsam unters Bett. »Nur, weil Sie eine Tracht tragen, heißt das noch lange nicht, dass Sie sind, was Sie vorgeben.«
»Gehen Sie.«
»Nicht ohne meine Informationen«, erwiderte er. »Ich habe schon zu viel Zeit verschwendet. Die Bestie und alle ihre Nachkommen müssen sterben, verstehen Sie nicht?«
»Gehen Sie, Herr von Kastell«, bat ihn Ignatia erneut und erhob sich. »Danke, dass Sie mir mein fehlendes Stück Rosenkranz gebracht haben. Ich werde den Orden über Sie und Ihre Verdienste im Kampf gegen die Dämonen in Kenntnis setzen.« Sie schlug das Kreuz. »Gehen Sie mit Gottes Segen …«
»… aber gehen Sie, ich weiß. Ich kenne den Spruch.« Eric bückte sich blitzschnell unters Bett und packte zu. Er bekam Emanuelas Arm zu
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