Rivalen der Liebe
Aber das zählte im Grunde gar nicht mehr, denn sie hatten einander schrecklich vermisst, und hier war die Chance, sich wieder zu vertragen.
»Ich wollte dich schon fragen, ob du meinen flehentlichen Bitten nachgeben und in unser gemeinsames Heim zurückkehren wirst, um endlich ganz und gar meine Frau zu werden«, sagte er und lächelte schüchtern.
»Ich hätte dich wohl erst ausreden lassen sollen«, sagte sie und versuchte, wie eine unzufriedene Lady zu klingen. Aber das gelang ihr einfach nicht. Die Freudentränen brannten in ihren Augen, und Julianna wusste, dass ihm ihre Rührung nicht entging.
Irgendwie schaffte es Roxbury, sich vor ihr in der Kutsche hinzuknien. Sie lachte und legte ihre Hand in seine.
»Meine liebe Julianna«, begann er. »Wir haben aus einer Vielzahl falscher Gründe geheiratet. Des Geldes wegen. Um unseren Ruf zu wahren. Weil es vernünftig schien. Unsere Ehe war eine Katastrophe, und das war zum Teil auch meine Schuld. Nein, widersprich mir nicht. Du trägst genauso Schuld am Scheitern, und das weißt du auch.«
»Das ist nicht gerade besonders romantisch, Roxbury«, tadelte Julianna ihn ein wenig beleidigt. Und trotzdem kam es von Herzen und war die Wahrheit. Und das war, wie sie ganz genau wusste, wiederum doch sehr romantisch.
»Hab Geduld, Weib. Ich komme schon noch zum Punkt«, rügte Roxbury sie. Dann atmete er tief durch und sprach weiter. »Trotzdem habe ich mich in diesem Trümmerhaufen, der unsere Ehe ist, in dich verliebt. In dein richtiges Ich. In die Frau, die manchmal weint und ihren Freundinnen beibringt zu boxen. Die Frau, die so stolz und unabhängig und klug ist. Die Frau, die schon einmal zutiefst verletzt wurde und es dennoch gewagt hat, sich erneut zu verlieben – und die dann auch noch mutig oder verrückt genug war, einen unverbesserlichen Schwerenöter wie mich zu lieben.«
»Ich muss wirklich verrückt sein«, sagte sie. Verrückt vor Liebe.
» Hör auf, mich ständig zu unterbrechen und lass mich wenigstens einmal in deinem Leben ausreden«, sagte Roxbury. »Wo war ich eben?«
»Dass wir aus den falschen Gründen geheiratet haben, dass es eine Katastrophe war, du mich aber trotzdem liebst, weil du verrückt sein musst und so weiter«, erinnerte sie ihn. Dann drückte sie liebevoll seine Hände. Sie glaubte, ihr Herz werde gleich vor Glück zerbersten.
»Ja, genau. Julianna, heirate mich noch einmal. Diesmal aus den richtigen Gründen. Weil ich dich liebe und du mich liebst – versuch gar nicht erst, es zu leugnen, ich weiß, dass es so ist. Heirate mich, weil wir füreinander geschaffen sind und weil ich den Rest meines Lebens damit zubringen will, mit dir – und nur mit dir – die schönsten Abenteuer zu erleben.«
»Ach Simon«, sagte Julianna und seufzte wie eine arg liebeskranke Närrin. »Ich liebe dich doch auch.«
»Erklärst du mir dann, warum du weinst? Sag mir bitte, dass du außer dir bist vor Freude.«
»Das bin ich. Ich hab dich so entsetzlich vermisst. Seit unserer Trennung habe ich bekommen, was ich immer wollte – meine Kolumne und jetzt sogar das Wissen, wer der Mann, der Bescheid weiß, ist – aber das war gar nicht mehr alles, was ich wollte. Ich wollte doch nur dich, mein Liebster. Die ganze Zeit habe ich dich schrecklich vermisst. Aber jetzt … Jetzt weine ich einfach, weil ich dich liebe und weil du mich liebst. Und ja, ich will dich noch einmal heiraten, aus all den richtigen Gründen.«
Die Kutsche kam vor ihrem kleinen, grauen Steinhaus mit den weißen Simsen zum Stehen. Es hatte einst ihrem verstorbenen Ehemann gehört, und jetzt gehörte es ihr. Das alles schien ein ganzes Leben weit hinter Julianna zu liegen. Und es schien ein Leben vergangen zu sein, seit sie erkannt hatte, dass sie dieses Haus aufgeben und als Lady Roxbury fortgehen konnte.
Roxbury schaute ebenfalls aus dem Kutschfenster und blickte dann sie an.
»Ich werde meine Kolumne auf keinen Fall aufgeben«, verkündete sie.
Sie liebte diese Arbeit. Über Gerüchte zu schreiben lag ihr einfach, und Lady Roxbury konnte doch bestimmt einer Nebentätigkeit als die Lady mit Klasse nachgehen.
»Mir würde ja nicht im Traum einfallen, dich davon abhalten zu wollen«, sagte Roxbury lächelnd.
»Kutscher? Entschuldigen Sie, aber wir müssen doch in die Bruton Street Nummer 28«, rief sie. Und dann fügte sie leiser hinzu, sodass nur er ihre Worte hören konnte: »Ich liebe dich.« Danach konnten sie eine Weile beide gar nichts sagen.
Denn seine Lippen
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