Rivalin der Götter erbin3
Gang war federnd, ohne Eile und selbstbewusst. Er schaute mich nicht an, obwohl er bemerkt haben musste, dass ich ihn beobachtete. Ich versuchte, seinen Ausdruck zu deuten, und konnte es nicht. Trotz seines Exils von Elysium hatte er dennoch den klassischen Abstand der Arameri perfektioniert. Seine Blutlinie ließ sich nicht verleugnen.
Nein, das war wirklich nicht möglich: Er sah aus wie Ahad!
Dämonenscheißender, in der Hölle geborener, Yeine-liebender Rattenbastard Ahad.
So viele Dinge ergaben jetzt einen Sinn; so viele andere wiederum
nicht. Die Ähnlichkeit war so groß, dass man sie nicht verleugnen konnte. Deka war ein oder zwei Zoll kleiner, schlanker und etwas unfertig, wie junge Männer es oft sind. Er trug sein Haar kurz und glatt, Ahads war lang und aufwändig. Deka sah auch mehr nach Amn aus; Ahads Züge lehnten sich eher an die Vorlage aus Hochnord an. Doch gemessen an allem anderen und besonders dieser neuen Ausstrahlung leichter, gefährlicher Stärke hätte Deka ebenso entstanden sein können wie Ahad: in voller Lebensgröße aus seinem Stammvater entsprungen, ohne eine Mutter, die alles hätte verderben können.
Doch das konnte nicht sein. Denn wenn Ahad ein Vorfahre Dekartas aus jüngerer Zeit war, dann waren Dekarta und Shahar und der Elternteil, der Ahads Blut in sich trug, Dämonen. Dämonenblut hätte mich an dem Tag, als wir den Freundschaftseid schworen, töten müssen.
Und zwar nicht auf diese langsame und grausame Art. Ich hatte gesehen, was Dämonenblut bei Göttern anrichtete. Es hätte das Lebenslicht meiner Seele ausgeblasen wie Wasser auf einer Kerzenfamme. Warum lebte ich überhaupt noch, ganz zu schweigen von dieser verkrüppelten Form?
Ich stöhnte leise. Endlich sah Deka zu mir herüber. »Nichts«, sagte ich und rieb mir die Stirn, die sich so anfühlte, als ob sie schmerzen sollte. »Es ist nur … nichts.«
Er stieß ein leises, amüsiertes Kichern aus. Mein süßer kleiner Deka hatte jetzt einen Bariton und war ganz und gar nicht mehr klein. War er immer noch süß? Das musste sich im Laufe der Zeit herausstellen.
»Wo gehen wir hin?«, fragte ich.
»Mein Labor.«
»Oh, also darfst du eins alleine benutzen?«
Er lächelte immer noch und verbreitete jetzt noch zusätzlich eine gewisse selbstgefällige Ausstrahlung. »Natürlich. Alle Lehrer haben ihr eigenes.«
Ich wurde langsamer und runzelte die Stirn. »Du meinst, du bist schon ein vollwertiger Schreiber? Jetzt schon?«
»Sollte ich das nicht sein? Der Studiengang ist nicht so schwierig. Ich habe ihn schon vor einigen Jahren abgeschlossen.«
Ich erinnerte mich an das schwermütige, schüchterne Kind, das er gewesen war – so unsicher, so schnell darin, seiner Schwester die Führung zu überlassen. War es möglich, dass er hier, jenseits der Schatten, die die Missbilligung seiner Familie auf ihn warf, seine wilde Intelligenz von der Leine gelassen hatte? Ich lächelte. »Trotz allem immer noch der eingebildete Arameri.«
Deka warf mir einen Blick zu. Sein Lächeln wurde nur ein wenig dünner. »Ich bin kein Arameri, Si’eh. Sie haben mich rausgeworfen, weißt du noch?«
Ich schüttelte den Kopf. »Der einzige Weg, um wirklich die Arameri zu verlassen, ist der Tod. Anderenfalls werden sie dich immer wieder verfolgen; und wenn nicht dich, dann deine Kinder.«
»Hmm. Da ist was dran.« Wir waren in der Zwischenzeit um eine Ecke herum und einen weiteren Flur mit Teppichen hinuntergegangen. Jetzt führte Deka mich eine weite, von Geländern gesäumte Treppe hinauf. Drei Mädchen, die Rohrfedern und Schriftrollen trugen, kamen die Treppe herunter. Sie nickten kurz höfich als Begrüßung und gingen an uns vorbei. Alle drei erröteten oder fatterten mit ihren Augenlidern in Richtung Deka. Er nickte würdevoll zurück. Sobald sie um die Ecke gebogen und außer Sichtweite waren, hörte man, wie sie aufgeregt in Kichern ausbrachen. Ich spürte, wie meine alte Natur kurz aufflackerte. Schwärmereien: wie Schmetterlingsfügel gegen die Seele.
Oben an der Treppe angekommen, schloss Deka eine wunderschöne Holzfügeltür auf. Der Raum dahinter war nicht das, was ich erwartet hatte. Ich hatte das Labor des Ersten Schreibers in Elysium gesehen: ein schlichter, düsterer Ort mit weißglänzenden Oberfächen, die nur füchtige Farbspuren zeigten, so wie schwarze
Tinte oder rotes Blut. Dekas Labor bestand aus tiefdunklem braunen Darreholz und goldenem Chellinmarmor. Es war achteckig. Vier der Wände waren vollkommen
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