Rivalin der Götter erbin3
mit Büchern bedeckt. Die Regale reichten vom Boden bis zur Decke. Darin stapelten sich in zwei oder drei Reihen hintereinander Wälzer, Schriftrollen und sogar einige Stein- oder Holztafeln. Breite, fache Arbeitstische beherrschten die Mitte des Raums. Am Rande des Raums an der Ecke zwischen zwei Wänden stand etwas Merkwürdiges: eine Art glasumschlossene Kabine. Dennoch gab es nirgendwo Werkzeuge oder Utensilien, außer denen, die zum Schreiben benutzt wurden. Es gab keine Käfige an den Wänden, die mit Musterexemplaren für Experimente gefüllt waren; es lag auch kein Schmerz in der Luft.
Ich sah mich erstaunt und verwirrt in dem Zimmer um. »Zur Hölle! Was bist du für ein Schreiber?«
Deka schloss die Tür hinter mir. »Meine Spezialität ist die Kunde der Gottkinder«, sagte er. »Ich habe meine Abschlussthese über dich geschrieben.«
Ich wandte mich ihm zu. Er stand vor der geschlossenen Tür und beobachtete mich. In seiner Bewegungslosigkeit erinnerte er mich für einen kurzen Moment an Nahadoth ebenso wie an Ahad. Alle drei hatten dieselbe ungerührte Haltung voller Intensität. In Ahads Fall überdeckte sie Nihilismus, bei Nahadoth Wahnsinn. Bei Deka wusste ich nicht, was sie zu bedeuten hatte. Noch nicht.
»Du glaubst doch nicht, dass ich damals versucht habe, dich zu töten«, sagte ich.
»Nein. Es war ofensichtlich, dass etwas mit dem Eid falsch gelaufen war.«
Ein Knoten der Anspannung löste sich in mir; der Rest blieb angespannt. »Du scheinst nicht überrascht zu sein, mich zu sehen.«
Er zuckte mit den Schultern, senkte seinen Blick, und für einen
kurzen Moment sah ich einen Anfug des Jungen, der er gewesen war. »Ich habe immer noch Freunde in Elysium. Sie halten mich über wichtige Dinge auf dem Laufenden.«
Er war also doch immer noch sehr Arameri, auch wenn er das Gegenteil behauptete. »Du wusstest demnach, dass ich kommen würde.«
»Ich habe es mir gedacht. Besonders, als ich hörte, wie du vor zwei Jahren fortgegangen bist. Eigentlich habe ich dich da schon erwartet.« Er sah wieder hoch. Sein Ausdruck war plötzlich nicht mehr zu deuten. »Du hast den Ersten Schreiber Shevir getötet.«
Ich trat von einem Fuß auf den anderen und steckte meine Hände in die Taschen. »Das wollte ich nicht. Er war einfach nur im Weg.«
»Ja. Das machst du öfter, wie mir klar wurde, als ich deine Vergangenheit studiert habe. Typisch für ein Kind, erst zu handeln und sich um die Konsequenzen später zu kümmern. Du achtest darauf, das zu tun – impulsiv zu handeln –, obwohl du erfahren und weise genug bist, es besser zu wissen. Das bedeutet es, wenn man gemäß deiner Natur lebt.«
Perplex starrte ich ihn an.
»Meine Kontakte erzählten mir, dass du böse auf Shahar bist«, sagte er. »Warum?«
Ich biss die Zähne zusammen. »Ich will nicht darüber reden.«
»Wie ich sehe, hast du sie nicht getötet.«
Wütend starrte ich ihn an. »Was kümmert es dich? Du hast seit Jahren nicht mit ihr gesprochen.«
Deka schüttelte den Kopf. »Ich liebe sie immer noch. Doch man hat mich schon einmal als Wafe gegen sie benutzt. Ich werde das nicht noch einmal zulassen.« Er stieß sich ruckartig von der Tür ab und kam auf mich zu. Ich war so durcheinander wegen seiner Art, dass ich einen Schritt rückwärts machte, bevor ich mich dabei ertappte.
»Stattdessen werde ich ihre Waffe sein«, sagte er. Alles in allem dauerte
es beschämend lange, bis mir klar wurde, dass er mit mir in der Ersten Sprache gesprochen hatte.
»Was zur Hölle tust du?«, verlangte ich zu wissen und ballte die Fäuste, damit ich ihm nicht mit einer Hand den Mund zuhielt. »Sei still, bevor du uns beide umbringst!«
Zu meinem Entsetzen lächelte er und begann, sein Oberhemd aufzuknöpfen. »Ich spreche seit Jahren Magie, Si’eh«, sagte er. »Ich kann die Welt und die Sterne hören, wie die Götter es tun. Ich weiß, wann die Wirklichkeit genau zuhört, wann das leiseste Wort ihren Zorn erweckt oder sie zu Gehorsam einlullt. Ich weiß nicht, woher ich diese Ding weiß, aber ich weiß sie.«
Weil du einer von uns bist, hätte ich beinahe gesagt. Doch wie konnte ich mir sicher sein? Sein Blut hatte mich nicht getötet. Ich versuchte, es zu verstehen, während er sich weiter vor mir auszog.
Dann öfnete er sein Oberhemd. Ich wusste es, bevor er das weiße Hemd darunter aufschnürte; die Buchstaben schimmerten dunkel durch den Stof. Dutzende schwarzer Zeichen marschierten über den größten Teil seines oberen Torsos
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