Rivalin der Götter erbin3
stillen Flure herbeikamen. Zunächst sahen sie mich nicht und riefen bestürzt nach mir. Dann gingen sie die Stufen hinab und fanden mich. »Du hast dich versteckt!«, sagte Shahar vorwurfsvoll.
Ich hatte es mir auf dem Boden bequem gemacht und die Beine gegen die Wand gestützt. Lächelnd sah ich sie kopfüber an und sagte: »Und wieder redest du mit Fremden. Wirst du es nie lernen?«
Dekarta kam herüber und hockte sich neben mich. »Bist du ein Fremder für uns, Si’eh? Immer noch?« Er streckte seine Hand aus und piekte mich in die Schulter, so, wie er es getan hatte, bevor er herausfand, dass ich gefährlich war. Dabei lächelte er schüchtern und errötete. Hatte er mir also verziehen? Sterbliche waren so wankelmütig. Ich piekte ihn zurück, und er kicherte.
»Ich sehe das nicht so«, sagte ich, »aber ihr seid doch diejenigen, die Korrektheit verehren. Meiner Meinung nach fühlt sich ein Fremder wie ein Fremder an – und ein Freund fühlt sich wie ein Freund an. So einfach ist das.«
Zu meiner Überraschung hockte Shahar sich ebenfalls hin. Ihr kleines Gesicht war ernst. »Würde es dir dann etwas ausmachen«, fragte sie mit einer sonderbaren Entschlossenheit, die mich die Stirn runzeln ließ, »unser Freund zu sein?«
Auf einmal verstand ich. Der Wunsch, den sie von mir verdient hatten. Ich hatte erwartet, dass sie sich etwas Einfaches aussuchen würden wie Spielzeug, das nie zerbrach, oder Haustiere aus einer anderen Welt oder Flügel, mit denen sie fiegen konnten. Doch sie waren pfiffig, meine kleinen Aramerischoßhündchen. Sie würden sich nicht mit läppischen materiellen Schätzen oder füchtigen Frivolitäten bestechen lassen. Sie wollten etwas von wirklichem Wert.
Gierige, anmaßende, unverschämte, arrogante Gören.
Ich stieß mich mit einer umständlichen und hässlichen Verrenkung von der Wand ab, die kein Sterblicher so schnell hätte nachmachen können. Sie erschreckte die Kinder, die mit weitaufgerissenen Augen zurückwichen und meine Verärgerung spürten. Auf allen vieren starrte ich sie an. »Ihr wollt was?«
»Deine Freundschaft«, sagte Deka. Seine Stimme war fest, doch seine Augen blickten unsicher. Er warf seiner Schwester ständig Blicke zu. »Wir wollen, dass du unser Freund bist. Und wir werden deine Freunde sein.«
»Für wie lange?«
Sie wirkten überrascht. »So lange, wie eine Freundschaft hält«, antwortete Shahar. »Lebenslang, denke ich, oder bis einer von uns etwas tut, um sie zu zerbrechen. Wir könnten einen Bluteid schwören, um es offiziell zu machen.«
»Einen Bluteid …« Die Worte kamen als Knurren eines Ungeheuers heraus, bevor ich sie aufhalten konnte. Ich spürte, wie sich meine Haare schwarz färbten und meine Zehen einrollten. »Wie könnt ihr es wagen?«
Shahar – verdammt seien sie und all ihre Vorfahren – sah unschuldig verwirrt aus. Ich hätte ihr am liebsten die Kehle herausgerissen, weil sie nicht verstand. »Was denn? Es ist doch nur Freundschaft.«
»Die Freundschaft eines Gottes.« Hätte ich einen Schwanz gehabt, hätte dieser gepeitscht. »Wenn ich mich darauf einließe, wäre ich dazu verpfichtet, mit euch zu spielen und eure Gesellschaft zu mögen. Und sobald ihr erwachsen seid, müsste ich ab und zu nachsehen, wie es euch geht. Ich müsste mir etwas aus den Bedeutungslosigkeiten eurer Leben machen; wenigstens versuchen, euch zu helfen, wenn ihr in Schwierigkeiten steckt. Götter! Ist euch klar, dass ich nicht einmal meinen Anhängern so viel entgegenbringe? Ich sollte euch beide dafür töten!«
Doch bevor ich das tun konnte, beugte Deka sich zu meiner Überraschung vor und legte seine Hand auf meine. Er zuckte zusammen,
weil meine Hand nicht länger vollkommen menschlich war – die Finger waren kürzer geworden, und die Nägel veränderten sich, sodass ich sie einziehen konnte. Mit reiner Willenskraft hielt ich das Fell von ihm fern. Doch Deka ließ seine Hand dort liegen und sah mich mit so viel Mitgefühl an, wie ich es auf dem Gesicht eines Arameri nie für möglich gehalten hatte. All die wallende Magie in meinem Inneren hielt inne.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Es tut uns leid.«
Jetzt hatten sich zwei Arameri bei mir entschuldigt. War das jemals geschehen, als ich noch ein Sklave war? Noch nicht einmal Yeine hatte diese Worte irgendwann gesagt, obwohl sie mich während ihrer sterblichen Jahre einmal furchtbar verletzt hatte. Deka fuhr fort und verstärkte das Wunder noch: »Ich habe nicht nachgedacht. Du
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