Rivalin der Götter erbin3
Gestalt einer Kreatur angenommen, die Unfug und Grausamkeit gleichermaßen liebte. Sie fing meine Natur auf ebenso wesentliche Art ein wie meine Kindgestalt. Ich hatte immer noch die Angewohnheit, sie als Standardgestalt anzunehmen, obwohl ich inzwischen die Kindgestalt bevorzugte. Sie bot mehr Feingefühl und Abstufungen. Doch ich war nicht vollkommen bei Bewusstsein, als ich im Reich der Sterblichen Gestalt annahm, und war so zur Katze geworden.
Allerdings war diese Gestalt ungeschickt, als es daran ging, aufzustehen. Außerdem fühlte sich etwas … falsch an. Ich verschwendete keine Zeit darauf, es verstehen zu wollen, und verwandelte mich in den Jungen – beziehungsweise ich versuchte es. Die Veränderung ging nicht wie erwartet vonstatten. Es bedurfte einiger Anstrengung. Die Umgestaltung meines Fleischs ging mit der zähen Langsamkeit von Molasse vor sich. Als ich mich endlich in menschliche Haut gekleidet hatte, war ich erschöpft. Ich brach dort, wo ich erschienen war, schnaufend und zitternd zusammen und fragte mich, was zur unendlichen Hölle mit mir los war.
»Si’eh?«
Die Stimme, die mich aus der Verschwommenheit geholt hatte. Weiblich. Vertraut und doch wieder nicht. Verwirrt versuchte ich, meinen Kopf zu heben und die Besitzerin der Stimme anzusehen. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass ich es nicht konnte. Ich hatte keine Kraft.
»Du bist es also tatsächlich. Götter, ich hätte nie gedacht …« Sanfte Hände berührten meine Schultern und zogen an mir. Sie rollte mich auf die Seite. Ich stöhnte leise. Etwas zerrte schmerzhaft an meinem Kopf. Warum zur Hölle war mir kalt? Mir war niemals kalt, nicht einmal in Nahas schwarzer Leere.
»Beim ewigen Bright! Das ist …« Sie berührte mein Gesicht. Ich drehte mich instinktiv zu ihrer Hand und schmiegte meine Nase hinein. Sie schnappte nach Luft und entriss sie mir. Dann streichelte sie mich erneut. Diesmal entzog sie sich mir nicht, als ich mich an sie drückte.
»Sh-Shahar.« Meine Stimme war zu laut und klang falsch. Ich öfnete meine Augen so weit wie möglich und starrte sie an. »Shahar?«
Es war Shahar. Ich war mir sicher. Doch etwas war mit ihr geschehen. Ihr Gesicht war länger, die Knochen zarter, der Nasenrücken höher. Ihr goldenes Haar, das bei unserer letzten Begegnung schulterlang gewesen war – vor einem Moment? Gestern? –, umwehte ihren Körper und war zerzaust, als ob sie gerade aus dem Schlaf aufgewacht wäre. Es reichte ihr bis zur Hüfte, wenn nicht noch tiefer.
Sterbliches Haar wuchs nicht so schnell, und nicht einmal Arameri würden Magie auf etwas so Belangloses verschwenden. Jedenfalls nicht heutzutage. Doch als ich versuchte, anhand der Sterne herauszufinden, wie viel Zeit vergangen war, erhielt ich nur ein leeres, unverständliches Grollen wie das Geplapper von Gedächtniswürmern.
»Kalt«, murmelte ich. Shahar stand auf und ging weg. Kurz
darauf wurde ich mit etwas zugedeckt, das warm und dick war, ihren Geruch trug und Vogelfedern enthielt. Eine Daunendecke. Sie hätte mich nicht wärmen dürfen, ebenso wenig wie mein Körper hätte kalt sein dürfen, doch ich fühlte mich besser. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mich ein bisschen bewegen, also rollte ich mich dankbar darunter zusammen.
»Si’eh …« Sie klang, als ob sie sich von einem Schock erholte. Ihre Hand landete wieder tröstend auf meiner Schulter. »Nicht, dass ich nicht froh wäre, dich zu sehen …« Sie klang nicht besonders froh. Ganz und gar nicht. »… aber wenn du jemals zurückkommen wolltest, warum jetzt? Warum hier und auf diese Weise? Das … Götter! Unglaublich.«
Warum jetzt? Ich hatte keine Ahnung, zumal ich keine Ahnung hatte, was »jetzt« bedeutete. An »damals« erinnerte ich mich weniger anhand von Gedanken als durch Bilder: Ich hielt ihre Hand mit Dekas Hand. Licht, Wind, etwas geriet außer Kontrolle. Shahars Gesicht mit weit aufgerissenen Augen, voller Panik, mit offenstehendem Mund und …
Schreie. Sie hatte geschrien.
Ein wenig meiner Kraft war zurückgekehrt. Ich nutzte sie, um meine Hand nach ihrem Knie auszustrecken, das nur wenige Zoll von meinem Gesicht entfernt war. Meine Finger glitten über glatte, heiße Haut und berührten feinen Stof – ein Nachthemd. Sie keuchte und zuckte zurück. »Du bist eiskalt!«
»Mir ist eiskalt.« So kalt, dass ich spürte, wie die Luftfeuchtigkeit des Zimmers sich dort an meiner Haut absetzte, wo sie nicht durch die Decke geschützt war. Ich steckte
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