Rivalin der Götter erbin3
Hand nach oben und berührte kurz ihre Wange. Sie blinzelte. Doch dann lächelte ich.
Sie erwiderte das Lächeln und war für einen Moment so schüchtern wie Deka.
Seufzend streckte ich meine Hände mit den Handfächen nach oben aus. »Dann tu es.«
Shahar nahm die Hand, die ihr am nächsten war, hob das Messer und runzelte dann die Stirn. »Schneide ich in den Finger? Oder quer über die Handfäche?«
»Den Finger«, sagte Deka. »Datennay hat gesagt, dass man so einen Bluteid schwört.«
»Datennay ist ein Idiot«, sagte Shahar. Ofensichtlich handelte es sich um einen alten Streitpunkt.
»Die Handfäche«, sagte ich. Es ging mir eher darum, sie zum Schweigen zu bringen, als wirklich einen Standpunkt zu vertreten.
»Wird das nicht schlimm bluten? Und wehtun?«
»Das soll es ja auch. Was taugt ein Eid, wenn er einem nichts abverlangt?«
Sie zog eine Grimasse, nickte und drückte die Klinge an meine Haut. Der Schnitt, den sie machte, war so oberfächlich, dass er kitzelte und mich kaum ritzte. Ich lachte. »Härter. Ich bin kein Sterblicher, weißt du.«
Sie warf mir einen ärgerlichen Blick zu und machte dann einen schnellen, kräftigen Schnitt quer über meine Handfäche. Ich ignorierte den aufflackernden Schmerz. Das tat gut. Die Wunde wollte sich sofort wieder schließen, aber mit ein wenig Konzentration quoll das Blut weiter hervor.
»Du machst es bei mir und ich bei dir«, sagte Shahar und gab Dekarta das Messer.
Er nahm das Messer und ihre Hände und schnitt, ohne zu zögern, beherzt seine Schwester. Ihre Kiefer mahlten, aber sie schrie nicht auf. Er tat es ebenfalls nicht, als sie seine Schnitte durchführte.
Ich atmete den Geruch ihres Bluts ein. Er war mir vertraut, obwohl drei Generationen sie von dem letzten Arameri, den ich gekannt hatte, trennten. »Freunde«, sagte ich.
Shahar sah ihren Bruder an, er warf ihr einen Blick zu, und beide schauten zu mir her. »Freunde«, sagten sie wie aus einem Munde. Sie nahmen erst sich bei den Händen, dann mich.
Dann …
Moment. Was?
Sie hielten meine Hände so fest, dass es schmerzte. Doch warum schrien die beiden Kinder mit im Wind fatternden Haaren? Wo kam der Wind …
Ich habe dich nicht verstanden. Sprich lauter.
Das ergab keinen Sinn. Unsere Hände waren versiegelt, zusammengeschlossen, ich konnte sie nicht loslassen …
Ja, ich bin der Gauner. Wer ruft …?
Sie schrien … Die Kinder schrien. Beide schwebten über dem Boden, und nur ich hielt sie fest. Und warum lag da ein Grinsen auf meinem Gesicht? Warum …
Stille.
3
I ch schlief, und währenddessen träumte ich. An einige dieser Träume konnte ich mich lange nicht erinnern. Um genau zu sein, war mir nur sehr wenig bewusst, außer …
Etwas
stimmte
nicht
und vielleicht noch ein bisschen
Moment
Ich
dachte
etwas
Mit anderen Worten, vage Eindrücke. Das ist für jeden Gott ein höchst unangenehmer Zustand. Keiner von uns ist allwissend oder allsehend – das ist sterblicher Unsinn –, aber wir wissen sehr viel und sehen ziemlich viel. Wir sind daran gewöhnt, über Sinne, die kein Sterblicher besitzt, fast ständig neue Informationen aufzunehmen. Doch eine Zeit lang war da gar nichts. Stattdessen schlief ich.
Doch plötzlich, in den Tiefen der Stille und Verschwommenheit, hörte ich eine Stimme. Sie rief meinen Namen, meine Seele, mit solcher Fülle und Kraft, wie ich sie in einigen sterblichen Lebenszeiten nicht gehört hatte. Das wohlbekannte Gefühl, gezogen zu werden. Unangenehm. Ich fühlte mich wohl, also drehte ich mich um und versuchte, zunächst nicht darauf zu achten.
Doch die Stimme stachelte mich an, bis ich wach war, schlug mir auf den Rücken, um mich vorwärtszudrängen, und schubste mich dann. Ich schlüpfte durch eine Öfnung in einer Wand aus Materie wie bei der Geburt oder wie beim Betreten des Reichs der Sterblichen – was so ziemlich dasselbe war. Ich trat nackt und schlüpfrig vor Magie heraus. Meine Gestalt festigte sich refexartig, um sich vor den seelenverschlingenden Dämpfen zu schützen, die einst in der Zeit vor der Zeit Nadadoths Verdauungsfüssigkeiten gewesen waren. Schließlich erwachte mein Geist aus der Benommenheit.
Jemand hatte meinen Namen gerufen.
»Was willst du?«, fragte ich – oder versuchte es zu fragen. Doch die Worte traten als unverständliches Knurren über meine Lippen. Lange bevor die Sterblichen eine Form erreicht hatten, die es wert war, nachgeahmt zu werden, hatte ich die
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