Rivalin der Götter erbin3
weil er durch den Verrat von Itempas sprachlos und gebrochen war. Nichts brachte ihn dazu, sich zu regen – keine Worte, keine Peitschenhiebe. Wenn die Arameri Befehle ausgaben, bewegte er sich und tat wie ihm geheißen. Nicht mehr und nicht weniger. Dann setzte er sich wieder hin. Diese Regungslosigkeit war nicht seine Natur, versteht ihr? Da war etwas so ofensichtlich falsch, dass sogar die Arameri ihn in Ruhe ließen.
Doch das andere Problem war Nahadoths Unzuverlässigkeit. In der Nacht hatte er Kraft, doch schickte man ihn auf die andere Seite der Welt, jenseits der Tag- und Nachtgrenze, wurde er zu sabberndem Fleisch ohne Sinne. In dieser Form hatte er gar keine Macht. Er konnte nicht einmal seine eigene Persönlichkeit manifestieren. Der Geist dieses Fleischs war so leer wie der eines Neugeborenen. Genau aus dem Grund, weil er auf seine Art ein Kind war, übertrug man mir die Verantwortung dafür.
Ich hasste es von Anfang an. Jeden Tag schiss es sich zu, manchmal sogar mehrfach. Eine der sterblichen Frauen versuchte mir den Gebrauch einer Windel beizubringen, aber ich machte mir nie die Mühe. Ich ließ die Kreatur einfach auf dem Boden liegen, um ihr Geschäft zu erledigen. Es stöhnte, grunzte und schrie unablässig. Es biss mich blutig, wenn ich versuchte, es zu füttern. Neugeboren oder nicht – es hatte das Fleisch eines Mannes, und dieser Mann hatte einen kompletten Satz starker, scharfer Zähne. Das erste Mal, als es das tat, schlug ich ihm einige dieser Zähne aus. In der nächsten Nacht wuchsen sie nach. Es biss mich nicht mehr.
Allmählich fand ich mich immer mehr mit meiner Aufgabe ab.
Als ich mich für das Fleisch erwärmte, wurde das von ihm mit seiner Art der Zuneigung erwidert. Als es anfing zu laufen, folgte es mir überall hin. Sobald Zhakka, Rue und ich die erste Weiße Halle erbaut hatten – damals gaben die Arameri noch vor, Priester zu sein –, erfüllte die Kreatur die Flure mit Gebrabbel, als sie sprechen lernte. Ihr erstes Wort war mein Name. Als ich schwach wurde und in den schrecklichen Zustand verfiel, den die Sterblichen Schlaf nennen, kuschelte sich die Fleischkreatur an mich. Ich ließ es zu, denn manchmal, wenn es dunkel wurde und sie wieder zu meinem Vater wurde, konnte ich mich auch ankuscheln, meine Augen schließen und mir vorstellen, dass der Krieg nie stattgefunden hatte. Dass alles so war, wie es sein sollte.
Doch diese Träume hielten nie lange. Das dünne, leblose Morgengrauen und mein geistloser Schützling kehrten immer wieder zurück.
Wenn er doch nur geistlos geblieben wäre. Doch das tat er nicht. Er begann zu denken. Als die anderen und ich ihn innerlich untersuchten, stellten wir fest, dass er, wie jedes denkende und fühlende Wesen, eine Seele entwickelt hatte. Schlimmer noch, er begann, mich zu lieben.
Und ich tat das, was ich nie hätte tun dürfen – ich begann, ihn ebenfalls zu lieben.
Hymn und ich standen jetzt in dem großen, wunderschön möblierten Büro der Kreatur und waren in widerlichen Rauch gehüllt.
»Ich würde euch ja bitten, Platz zu nehmen«, sagte er. Dann unterbrach er sich, um einen weiteren, langen Zug von dem brennenden Ding in seinem Mund zu nehmen. Den Rauch atmete er gelangweilt aus. »Doch ich bezweife, dass ihr das möchtet.« Er zeigte auf die ebenfalls wunderschönen Ledersessel, die vor seinem Schreibtisch standen.
Hymn, die mich die ganze Zeit, seit wir vom Salon nach oben gegangen waren, unbehaglich musterte, setzte sich hin. Ich nicht.
»Mein Lord …«, begann sie.
»Lord?« Ich spie das Wort aus und verschränkte die Arme.
Er sah mich amüsiert an. »Adel hat heutzutage weniger mit Blutlinien und Freundschaften mit den Arameri zu tun, sondern eher mit Geld. Ich habe reichlich davon, also macht mich das zu einem Lord.« Er hielt inne. »Und man nennt mich jetzt ›Ahad‹. Gefällt es dir?«
Ich grinste höhnisch. »Du machst dir nicht einmal die Mühe, originell zu sein.«
»Ich habe nur den Namen, den du mir gegeben hast, lieblicher Si’eh.« Er hatte sich nicht verändert. Seine Worte waren immer noch in Samt gehüllte Rasierklingen. Ich knirschte mit den Zähnen und wappnete mich gegen die Schnitte. »Wo wir gerade bei Liebreiz sind: Genau der scheint dir momentan zu fehlen. Hast du Zhakkarn mal wieder verärgert? Wie geht es ihr übrigens? Ich habe sie immer gemocht.«
»Warum bei den fünfzig Millionen Höllen bist du immer noch am Leben?«, verlangte ich zu wissen. Das trug mir
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