Rivalin der Götter erbin3
edle Nahrungsmittel. Es war eher geschäftsmäßig als schäbig.
»Sie mögen das Wort nicht«, murmelte Hymn. Sie kam zu mir, damit wir uns unterhalten konnten. »Außerdem habe ich dir gesagt, dass die Leute, die hier arbeiten, keine Huren sind. Sie tun nicht alles für Geld, meine ich. Einige von ihnen arbeiten nicht einmal für Geld.«
»Wie bitte?«
»Das habe ich gehört. Die Leute, die diesen Ort betreiben, übernehmen alle Freudenhäuser in der Stadt und gleichen sie aneinander an. Man munkelt, dass die Ordensbewahrer ihnen deswegen so viele Freiheiten lassen. Der Zehnte der Dunkelwanderer ist genauso viel wert wie jeder andere, wenn es darauf ankommt.«
»Dunkelwanderer?« Mir fiel die Kinnlade herunter. »Das glaube ich nicht. Diese Leute, die Betreiber oder wie auch immer … sie verehren Nahadoth?« Ich konnte nicht umhin, an die Anhänger Nahadoths aus alten Zeiten zu denken, aus den Tagen vor dem Krieg der Götter. Sie waren Zecher, Träumer und Rebellen und waren dem Gedanken von Organisation ebenso zugänglich wie eine Katze dem Gehorsam. Doch die Zeiten hatten sich verändert, und zweitausend Jahre Einfuss von Itempas hatten ihre Spuren hinterlassen. Jetzt eröfneten die Anhänger Nahadoths Geschäfte und bezahlten Steuern.
»Ja, sie verehren Nahadoth«, sagte Hymn. Dabei warf sie mir einen herausfordernden Blick zu, den ich sofort verstand. »Stört dich das?«
Ich legte meine Hand auf ihre knochige Schulter. Wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich sie gesegnet, jetzt, da ich wusste, wem sie gehörte. »Wieso sollte es? Er ist mein Vater.«
Sie blinzelte, blieb aber skeptisch. Ihre Anspannung verlagerte sich von einer Schulter auf die andere. »Er ist der Vater der meisten Gottkinder, oder nicht? Doch nicht alle scheinen ihn zu mögen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Manchmal ist es schwer, ihn zu mögen. Das habe ich von ihm.« Ich grinste, was auch ihr ein Lächeln entlockte. »Aber jeder, der ihn ehrt, ist mein Freund.«
»Gut zu wissen«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich wurde stocksteif, weil ich niemals erwartet hätte, diese Stimme noch einmal zu hören. Männlich, Bariton, gleichgültig, grausam. Die Grausamkeit stach jetzt heraus und mischte sich mit Belustigung.
Denn hier war ich in seinem Salon, hilfos, sterblich, und das machte ihn zur Spinne und mich zur Fliege.
Langsam drehte ich mich um und ballte die Hände zu Fäusten. Er lächelte mit beinahe perfekten Lippen und musterte mich mit Augen, die nicht dunkel genug waren. »Du«, hauchte ich.
Das lebendige Gefängnis meines Vaters. Mein Peiniger. Mein Opfer.
»Hallo Si’eh«, sagte er. »Schön, dich wiederzusehen.«
10
E s hätte niemals geschehen dürfen.
Itempas’ Wahnsinn, Enefas Tod, Nahadoths Niederlage. Der Krieg. Das Auseinanderreißen unserer Familie.
Doch es war geschehen, und mich hatte man in einem Sack Fleisch, der schlürfte, undicht war und schwerfällig wie eine Keule herumstampfte, angekettet. Ich war hilfoser als jedes Neugeborene. Weil neugeborene Götter frei waren und ich? Ich war nichts. Weniger als nichts. Ein Sklave.
Wir hatten von Anfang an geschworen, dass wir füreinander da sein würden, wie Sklaven es tun müssen. Die ersten paar Wochen waren die schlimmsten. Unsere neuen Herren ließen uns bis zum Umfallen schuften, um ihre zerbrochene Welt zu reparieren. Nun, um ehrlich zu sein, hatten wir auch dabei geholfen, sie zu zerbrechen. Zhakkarn machte sich auf und rettete alle Überlebenden; sogar diejenigen, die unter Geröll lagen oder von Lava oder durch Blitze halb geröstet waren. Ich konnte besser als jeder andere Unordnung beseitigen und erbaute ein Dorf in jedem Land, damit die Überlebenden ein Dach über dem Kopf hatten. In der Zwischenzeit füllte Kurue die Ozeane mit Leben und machte die Erde wieder fruchtbar.
Sie hatten ihr die Flügel abgerissen, um sie dazu zu zwingen. Die Aufgabe war zu kompliziert, als dass man sie einfach befehlen konnte. Außerdem war sie zu weise – sie hätte mit Leichtigkeit die Schlupföcher gefunden. Die Flügel wuchsen nach, und
sie rissen sie erneut ab. Doch sie ertrug den Schmerz mit eisigem Schweigen. Erst als sie ihr heiße Stacheln in den Kopf trieben und drohten, ihr jetzt verletzliches Gehirn zu beschädigen, kapitulierte sie. Sie konnte nicht ertragen, ohne ihre Gedanken zu sein. Denn diese waren alles, was ihr geblieben war.
Nahadoth wurde für dieses schreckliche erste Jahr in Ruhe gelassen. Das war zum Teil auch notwendig,
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