Riven Rock
und wog gut achtzig Kilo, seine Arme hatten eine Spannweite von zwei Meter dreißig, und wenn ihm danach gewesen wäre, hätte er durch ganz Montecito laufen können, ohne dabei je den Erdboden zu berühren, nur an den Bäumen hangelnd, reine Armarbeit. Und nun ergriff er ihre Hand und schnüffelte daran, als wäre sie ein kostbarer Schatz, einen Ausdruck äffischer Entrückung auf dem Gesicht.
»Dieses dreckige, stinkende Vieh«, bemerkte O’Kane, »wenn’s nach mir ginge, dürfte der hier bestimmt nicht frei rumlaufen – aber ich habe ja nichts zu sagen, nicht wahr?«
Katherine beachtete ihn nicht. Julius war amüsant, eine reine Freude, und jetzt küßte er ihr die Hand wie ein verliebter Bauernbursche, das Kitzeln der Schnurrhaare, die Wärme seiner Lippen, und sie dachte daran, wie gern sie Tiere mochte: Hunde, Katzen, Pferde, Affen, sogar Schlangen und Fledermäuse und so – sie waren ja der Grund dafür, daß sie sich der Biologie zugewandt hatte. Und wann hatte sie zum letztenmal ein Schoßtier gehabt?
»Julius!« rief sie und war nun völlig becirct. »Das kitzelt!« Sie sah O’Kane an und bemühte sich, ernst auszusehen. »Dr. Hamilton schrieb mir, daß mein Mann und Julius geradezu unzertrennlich sind?«
O’Kane verzog das Gesicht, als hätte er in faules Obst gebissen. Er trat von einem Fuß auf den anderen und sprach zu einem Punkt knapp oberhalb ihrer linken Schulter. »Das ist Dr. Hamiltons Sache, ich habe damit nichts zu tun, und wie gesagt, ich halte das nicht für gesund und auch nicht für anständig...«
»Aber warum nicht? Er ist doch ganz zahm. Und wenn er dabei hilft, daß mein Mann sich für seine Umwelt interessiert, wenn er ihn in irgendeiner Weise anregt, so muß das doch positiv sein. Gewiß hätten Sie doch nichts gegen einen Hund, eine Katze oder ein anderes konventionelles Haustier, oder, Mr. O’Kane? Und ein Affe ist um so vieles intelligenter...«
Julius ließ ihre Hand sinken und erkletterte den Drehstuhl in einer einzigen fließenden Bewegung, wirbelte einmal ganz herum und schob dann, als müßte er der Versuchung widerstehen, sich wie ein Kind immer weiter im Kreis zu drehen, die Beine unter die Tischplatte, wo er so tat, als arbeitete er ein paar Papiere durch, und dabei sah er niemandem ähnlicher als einem hängebackigen, schmerbäuchigen alten Bankdirektor an seinem Schreibpult.
O’Kane wirkte nervös, und sie erinnerte sich an den Tag, als Hamilton seine ersten beiden Rhesusaffen von diesem Schiffskapitän bekommen hatte, und an O’Kanes Miene, als die Tiere vom Baum herabgesprungen waren. Er hatte Angst, das war alles, Angst vor einer so friedfertigen und harmlosen Kreatur wie dem armen Julius – aber typisch Mann, er würde das natürlich niemals zugeben. Auch jetzt fiel ihr auf, wie er auf Distanz blieb – und schließlich küßte Julius ihm ja auch nicht die Hand. »Nein«, sagte er, »das ist es nicht«, und er rang nach Worten. »Ein Haustier wäre nicht übel, ich habe immer wieder gesehen, wie sich der Zustand von Patienten in Gesellschaft eines kleinen Hundes zum Beispiel gebessert hat, aber... Julius ist... er scheint einen schlechten Einfluß auf Mr. McCormick auszuüben...«
»Schlechten Einfluß?«
»Er... also, manchmal äfft Mr. McCormick Julius’ Verhalten nach, wenn ich das so sagen darf, und nicht umgekehrt.«
Katherine runzelte die Stirn. Julius spielte gerade mit einem Briefbeschwerer, einer faustgroßen Glaskugel, er balancierte sie auf der Spitze seiner platten Nase und steckte sie sich dann in den Mund wie eine versteinerte Frucht.
»Ich meine, wenn wir Mr. McCormick zum Beispiel in einem der Wagen herumfahren – es beruhigt ihn, wissen Sie, und der Tapetenwechsel regt ihn an – und Julius dann, na, sagen wir, das Gesicht an der Scheibe platt drückt, dann macht Mr. McCormick das auch, und das ist einfach...«
»Würdelos?«
»Ja, genau das meine ich – es hat keine Würde.«
Julius legte den Kopf schief und stieß eine Reihe von gedämpften Schmatzgeräuschen und leisen, körperlosen Gurrlauten aus, die klangen wie die Bauchrednerversion eines plötzlich aufflatternden Taubenschwarms, und er fixierte unruhig die immer noch offenstehende Tür. Katherine wandte sich um, ebenso O’Kane. Erst jetzt hörten auch sie Schritte in der Halle, und im nächsten Augenblick erschien Dr. Hamilton in der Tür, mit blitzendem Kneifer und einem breiten herzlichen Lächeln auf den Lippen, doch als sie sich wieder umdrehte, war Julius
Weitere Kostenlose Bücher