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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sie, sah sich im Raum um, die nächsten Verbesserungen im Sinn, und blätterte dann in einem Stapel Papiere, die auf dem Schreibtisch für sie bereitlagen. »Und wie ist es Ihnen ergangen?«
    »Ach, danke sehr, Ma’am«, antwortet er, »es geht ganz gut.« Und als sie wieder aufblickte, musterte er seine Schuhe. Er sah durchaus gut aus mit seiner kräftigen Statur und dem blonden Haar, seiner ganzen Haltung, und inzwischen, Anfang Dreißig – oder war er erst neunundzwanzig? –, erweckte er einen äußerst ansprechenden Eindruck. Und klug war er auch, für einen Pfleger, aber das war natürlich Teil des Problems dieser ganzen unseligen Situation – so schlau und präsentabel er sein mochte, war er doch nicht der rechte Umgang für ihren Mann, einen Gentleman, der die Gesellschaft und Konversation anderer Gentlemen gewohnt war. Dr. Hamilton war akzeptabel, in gewissem Maß – immerhin war er gebildet –, aber die Thompsons, so gutherzig und wohlmeinend sie auch sein mochten, hätten Stanley das Wasser nicht einmal reichen können, als er sechs war. Und wie sollte man auf Besserung hoffen, wenn er keine anderen Ansprechpartner als diese hatte?
    »Das freut mich ganz außerordentlich zu hören«, sagte sie, lehnte sich an eine Ecke des Schreibtisches und ging die Papiere ein zweitesmal durch – Rechnungen, Quittungen, ein Bericht von Mr. Stribling über diverse Umbauprojekte auf dem Grundstück. »Und wie geht es Ihrer Frau?«
    Schweigen. Sie blickte auf.
    »Immer noch in Massachusetts, Ma’am – muß ihre kranke Mutter pflegen. Und den Vater. Und ihren Bruder auch, den armen Kerl, der an Gehirnkrebs leidet.«
    Katherine schürzte die Lippen und konnte sich ein kaltes Lächeln nicht verkneifen. »Da hat sie ja eine Menge zu tun.«
    »Ja, allerdings.«
    »Vier Jahre inzwischen, nach meiner Zählung.«
    O’Kane sagte gar nichts. Draußen schien die Sonne immer heller, wie eine Gaslaterne, die allmählich höher gedreht wurde, bis der ganze Raum von Licht erfüllt war.
    »Und Ihr Sohn?« fragte Katherine.
    »Hab ihn lange nicht gesehen, wo ich doch meine Zeit ganz Mr. McCormick widme, wie Ihnen ja sicherlich bekannt ist, aber was ich so höre, macht er sich prächtig – ein richtiger kleiner Tiger ist er, wirklich.«
    »Oh?« Katherine war irritiert. Dieser Mann war ein Frauenheld, ein Schürzenjäger, und die Gedanken und Gefühle einer Frau kümmerten ihn sowenig wie die eines dressierten Seehundes, dachte er doch immer nur an das eine, als wäre sexuelle Anziehung das Ziel und nicht der Beginn einer Beziehung, und es war eine Schande, wie er Frau und Kind sitzengelassen hatte und auch noch die Unverschämtheit besaß, sie diesbezüglich anzulügen. Die Mutter pflegen, haha.
    O’Kane stand an der Tür und wartete darauf, entlassen zu werden. Er hatte sich keinen Zentimeter bewegt, seit sie das Zimmer betreten hatte. »Ach, Mrs. McCormick, wissen Sie«, sagte er dann und sah ihr jetzt in die Augen, ein Blick so kühl wie Messing, »um ehrlich zu sein, manchmal begibt man sich in den Stand der Ehe, rundherum mit den allerbesten Absichten, und dann klappt es ganz einfach nicht so recht.« Er machte ein Pause. »Sie verstehen, was ich meine?«
    Das saß – sie war auch schlecht vorbereitet –, und ihr wäre um ein Haar etwas herausgerutscht, was sie später bereut hätte, es lag ihr schon auf der Zunge, da klopfte es an der Tür, und in Erwartung Hamiltons fuhren sie beide herum. Die Tür wurde langsam aufgestoßen, aber es war nicht der Arzt, der da hereinschlich, keineswegs – es war Julius, der große orangegelbe Affe. Katherine war so überrascht, daß sie einen leisen Schrei ausstieß, und im nächsten Moment mußte sie lachen, über sich selbst ebenso wie über dieses schlaksige, pummelige Wesen, das jetzt mit buckligem Gang hereinschlurfte wie ein lebendiger Bettüberwurf. Julius. Den hatte sie ganz vergessen.
    Er durchquerte den Raum auf den Fingerknöcheln, huschte behende über den Teppich, scheinbar ohne ihn zu berühren, und verwendete die Füße weniger zur Fortbewegung denn als eine Art Steuerruder. Er achtete nicht auf O’Kane, sondern näherte sich schnurstracks Katherine und sah zu ihr auf, aus Augen von der Farbe sonnenwarmen Schlamms, und eine lange ledrige Hand zupfte sachte an ihren Röcken. Dabei stieß er einen leisen Gurr- oder Grunzlaut aus, und auch olfaktorisch tat er seine Gegenwart kund, brachte er doch seine ganz eigene Glocke von Wohlgeruch mit. Er war etwa eins fünfzig groß

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