Riven Rock
seufzte er, »nämlich daß das nichts als stinkende, hemmungslose kleine Dreckviecher sind. Sie freilassen?« Er blickte auf. »Das verdienen sie nicht.«
Etwa um diese Zeit überbrachte Giovannella O’Kane die Neuigkeit, daß sie schwanger sei. Sie hieß jetzt nicht mehr Giovannella Dimucci, sondern Giovannella Capolupo, denn auf Zureden ihres Vaters hin hatte sie geheiratet, einen kleinen buckligen Itaker mit einer durchgehenden schwarzen Augenbraue, die wie ein Mützenschirm quer über das obere Drittel seines Kopfes verlief. Guido hieß er, Guido Capolupo. Er hatte eine Schuhmacherei in einer kleinen Gasse in Spanishtown, mit einer winzigen beengten Wohnung darüber, was sehr praktisch für O’Kane war, der in einer keine fünf Minuten entfernten Pension wohnte.
Giovannella, schlank und schön, mit Augen wie Schokobohnen und züchtig an den Knöcheln übereinandergeschlagenen Beinen, wartete im Aufenthaltsraum der Pension auf ihn, unter den wachsamen Augen der Zimmerwirtin, Mrs. Fitzmaurice. Es war ein Samstag, zwei Uhr nachmittags, und er war gerade von seiner Halbtagsschicht in Riven Rock nach Hause gekommen und auf sein Bett niedergesunken wie eine Flunder, völlig gerädert nach einer langen Nacht, in der in Menhoffs Kneipe irgend jemandes Geburtstag gefeiert worden war, wessen Geburtstag hatte er vergessen. Er schloß die Augen. Aber im nächsten Moment ertönte ungeduldiges Klopfen an der Tür, und wer da? Mrs. Fitzmaurice. Und was wollte sie? Da sei eine junge Dame für ihn unten.
»Giov!« flötete er, ging über den Teppich und nahm ihre Hand, fühlte sich schon besser, natürlich konnte er sie hier in aller Öffentlichkeit nicht küssen, obwohl er es gern getan hätte, und auch den Blick ihrer Schokobohnenaugen konnte er nicht entziffern. »Was gibt’s denn?«
»Ich bin schwanger.«
Anfangs begriff er nicht ganz. Die Sonne stand fett in den Fenstern, die Straßen draußen lagen friedlich und einladend da, der ganze lange Samstagnachmittag dehnte sich gemächlich vor ihm aus. Da er ohnehin auf war, wollte er vorschlagen, vielleicht zu Menhoff zu spazieren und sich ein Schlückchen gegen den Kater zu genehmigen. Er blinzelte. Setzte ein Grinsen auf.
Auf einmal strahlte ihn Giovannella an. »Ich dachte, du würdest schimpfen, Eddie, ich bin so froh.« Sie drückte fest seine Hand, auch wenn Mrs. Fitzmaurice, die am Fenster geflissentlich ihre Geranien wässerte, ihnen zusah wie eine moralische Scharfrichterin, beim geringsten Anzeichen von Unschicklichkeit zum Einschreiten bereit.
O’Kane konnte nicht recht folgen. »Schimpfen? Weswegen?«
»Du bist der Vater, Eddie«, sagte sie leise wie ein Herzschlag. »Hast du nicht verstanden? Ich bin schwanger.«
Im nächsten Augenblick war er mit ihr zur Tür hinaus, und sie stapften die Straße entlang, andere Fußgänger sahen tunlichst beiseite, eine Straßenbahn fuhr klingelnd vorbei, ein Roadster parkte am Bordstein, dahinter eine Limousine und dahinter ein alter Reo. Sein Blut war in Wallung, seine Laune keineswegs nur schlecht. Er war tatsächlich wütend, natürlich war er das, doch er verspürte auch einen Hauch von irrwitzigem Hochgefühl. Klar war das Gör von ihm – ihr Mann, dieser Guido, wirkte wie hundertundzwölf, obwohl sie darauf beharrte, daß er erst sechsunddreißig war, und wie konnte sie mit einem Bürschchen, der so aussah, überhaupt ins Bett gehen, selbst wenn er ihr Mann war? Natürlich war das Kind von ihm – außer sie hatte mit jemand anders herumgetändelt, und wenn sie mit ihm fremdging, warum nicht auch mit einem anderen Kerl? Aber nein, es mußte von ihm sein, und es würde mit blonden Haaren und meergrünen Augen zur Welt kommen, das wußte er einfach, und Baldy Dimucci und dieser Guido würden an die Decke gehen vor Wut. Es würde eine Vendetta geben. Sizilianische Auftragsmörder. Sie würden in der Nacht durch ein Erdgeschoßfenster einbrechen, kurzen Prozeß mit Mrs. Fitzmaurice und dem alten Walter Hogan machen, der sein halbes Leben in einem Sessel neben der Vordertür vor sich hin schnarchte, und dann die Treppe hinaufschleichen, um ihm armem Sünder die Kehle durchzuschneiden.
Jemand drückte auf eine Fahrradhupe. Der Gemüsehändler – Wilson – trat hinter einem Stapel Zuckermelonen hervor und kippte einen Eimer Wasser in den Rinnstein. »Du mußt es wegmachen lassen«, sagte O’Kane.
Giovannella blieb wie angewurzelt stehen. Giovannella die Furie, Giovannella die Wahnsinnige. Alle Süße in ihren
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