Riven Rock
hatte er ein Picknick am Strand mit einer Frau geplant, die er vergangene Woche auf einer Party getroffen hatte, aber jetzt war ihm klar, daß er das nicht durchziehen konnte, also rief er sie an und deckte sie mit einem Blizzard aus Versprechen und Lügen ein. Giovannella hatte ja recht – Abtreibung war eine Schweinerei und außerdem eine schlimme Sünde. Und er war schließlich noch Katholik, auch wenn er nicht mehr zur Messe ging, außer an Weihnachten und Ostern, aber er glaubte daran, daß Gott ihm zusah und ihn richtete und sogar verachtete, während er an der Theke saß und ein Bier zum Mund hob. Aber was war die Alternative? Er versuchte sich ein Leben in San Francisco vorzustellen, einer Stadt, die er nur von Ansichtskarten kannte, wo Giovannella dick werden würde, bis ihr Nabel hervorquoll, ihre Titten wie Ballons aussahen und ihre Beine jede Form verloren, und was dann? Ein Leben in Sünde. Mit einem Baby, das in den Augen der Kirche und auch der Gesellschaft ein Bastard wäre. Und dann noch ein Baby. Und noch eins.
Er war jetzt acht Jahre lang bei Mr. McCormick, länger als in der Bostoner Irrenanstalt und im McLean zusammengenommen, er verdiente gut, und einiges davon legte er auf der Bank an für den Tag, an dem er sich selbständig machen würde – ob das dann in Orangen oder in Öl wäre oder in einer dieser neuen Servicefirmen, die im Gefolge des Automobils entstanden waren, das wußte er noch nicht. Aber einstweilen wollte er Mr. McCormick nicht verlassen. Es war eine Frage der Loyalität – er wollte ihn gesund werden sehen, ja wirklich; in gewisser Weise hatte er sein Leben darauf gesetzt –, und selbst wenn Hamilton jetzt ging und dieser neue Mann, Brush, statt seiner kam, wußte O’Kane, daß er noch eine ganze Weile in Riven Rock bleiben würde. Er könnte die Sache einfach laufen lassen, ihr den Rücken kehren und den Schuster einen kleinen O’Kane aufziehen lassen, wie einer dieser Pechvögel, die der Kuckuck ausnutzt, indem er ihren Nestern einfach seine Eier unterschiebt, ohne daß sie es merken. Das könnte er. Aber es würde weh tun, und die Sache mit Rosaleen und Eddie jr. tat schon weh genug.
Er war bei der zweiten Runde – oder war’s schon die dritte? –, als Dolores Isringhausen hereinspaziert kam. Bei ihr war eine zweite Frau, beide mit Pelzstola und Glockenhut, Bubikopffrisur und einem Rock, der ihnen die Waden hinaufkroch, und hinter ihnen drängte eine lärmende Meute in die Kneipe. Sie stammte aus New York, diese Dolores, war mit einem reichen Kerl verheiratet, der an der italienischen Front den Pfadfinder spielte, und sie führte hier ein ziemlich flottes Leben. Niemand in Santa Barbara hatte so etwas wie sie schon gesehen. Sie rauchte, trank Jack-Rose-Cocktails und fuhr ihren eigenen Wagen, einen kleinen Maxwell-Flitzer mit Weißwandreifen, den sie von der Ostküste hatte herübertransportieren lassen. O’Kane war fasziniert von ihr. Er hatte sie ein paarmal in diversen Runden erlebt, und ihm gefiel ihr wissender Blick, ihre glitzernden kalten Augen und die Art, wie ihr Kleid eng an den Hüften anlag, immer etwas Seidiges, Tastbares, und nie diese gestärkten Büßerkutten, in denen die Hälfte aller Frauen der Stadt sich durch die Gegend schleppte, als wanderten sie von einem Begräbnis zum nächsten. Und sie schien auch nichts gegen Saloons zu haben.
»Hallo, Eddie«, sagte sie und ging geradewegs ans Ende der Theke auf ihn zu, die andere Frau zockelte ihr mit einem eingefrorenen Lächeln und einem nichtssagenden Kopfnicken zu diesem und jenem Gast hinterher. »Du siehst aber schwermütig aus. Was ist denn los? Es ist Samstag. Die Nacht winkt und lockt.«
Wie um sie Lügen zu strafen – bezüglich der Schwermut –, grinste er sie an, zeigte ihr die Zähne, das Grinsen eines Höhlenmenschen, der gerade ein Mastodon mit der Keule erschlagen hatte und es nun seiner geliebten Höhlenmenschenfrau zu Füßen legte, und dabei ließ er in seinem Jackett die Schultern spielen, um ihr zu zeigen, wie er ausgestattet war. Sein Blick erfaßte den ihren. »Ich habe nur auf dich gewartet, damit du mir den Tag versüßt.«
Ihre Augen hatten eine verrückte Farbe – fast konnte man sie violett nennen –, und er bemerkte, daß sie die oberen Lider auf ziemlich theatralische Art geschminkt hatte, um das noch zu betonen. Sie reagierte nicht auf seine Ouvertüre, nicht direkt jedenfalls. Sie senkte den Kopf, fischte aus ihrem mit schwarzen Perlen besetzten Retikül ein
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