Riven Rock
Nase, die Augen und die Atemluft. »Ach ja?« sagte sie, und ihre Stimme klang bedrohlich. »Und was ist mit dem Sohn, den du schon hast – wer zieht den auf? Hä? Sag schon. Wer zieht ihn auf?«
Rosaleen zog ihn auf, und falls es in deren Leben einen Mann gab, so wußte er nichts davon. Er schickte ihr Geld, wenn er daran dachte, und sie sandte ihm Schweigen zurück. Keine Briefe, keine Photos, gar nichts. Doch wenn er sie sich vorstellte, und das tat er hie und da, wenn er allein war und ein Bier trank und eine kummervolle Melodie auf dem Grammophon spielte, dann stellte er sie sich allein und wartend vor, eine Photographie des gutaussehenden Eddie O’Kane an der Wand über ihrem Bett.
»Das geht dich nichts an«, sagte er.
Ein Windstoß fegte über den Boden, plötzlich klebten Papierschnitzel an den Wurzeln des Baumes, und die Äste über ihnen ächzten. Immer noch klammerte sie sich an ihn, ihr Atem war heiß auf seinem Gesicht, dazu der Geruch ihrer Haut, Seife und Parfum. »Du bist mein Mann, Eddie«, flüsterte sie, »du bist es für mich. Sei ein richtiger Mann. Bring mich woandershin, nach San Francisco, Los Angeles. Oder zurück nach Boston, das ist mir egal, ich gehe überallhin mit dir.«
»Hier ist mein Zuhause. Mr. McCormick...«
» Mr. McCormick . Erzähl mir bloß nichts über Mr. McCormick.« Sie stieß ihn von sich, ihre Augen waren geweitet und riesengroß, das lose Haar flatterte ihr um die Schultern. »Es ist nur eine Stellung, Eddie – du findest überall eine neue, ein großer starker Mann wie du, hier in Amerika geboren und mit einer guten Ausbildung. Wo ist denn dein Drei-Uhr-Glück, von dem du immer redest? Vertrau ihm. Vertrau mir.«
Aber in seinem Kopf war der Vorhang bereits gefallen. Das Stück war vorbei. »Du mußt es wegmachen lassen.«
»Niemals.«
»Ich erledige das. Ich hör mich um. Er – wie heißt er noch? –, er braucht es nie zu erfahren. Niemand erfährt es.«
Auf einmal, und er wußte nicht genau, wie es anfing, boxten sie miteinander. Oder sie boxte, und er versuchte eigentlich nur ihre Schläge abzufangen. Sie erhoben sich dabei mühsam auf die Knie, dann auf die Füße. Sie prügelte auf ihn ein, genau wie Rosaleen. »Ich hasse dich«, sprudelte sie heraus, keuchend und weit ausholend, ihre Stimme tödlich ruhig zwischen einem rasselnden Atemzug und dem nächsten. »Das ist Mord, wovon du da sprichst, du... dreckiger Hurensohn, Mord an... einer unschuldigen Seele... Wie kannst du auch nur... daran denken, du als... Katholik?«
Dann hörte sie auf zu schlagen und blieb stocksteif stehen, er aber behielt die Hände oben, für alle Fälle. Er blickte kurz in die Runde, um festzustellen, ob irgendwer zusah, doch das Grundstück lag verlassen da. Ihre Augen waren feucht. Tief in der Kehle machte sie ein Geräusch, und er dachte schon, sie würde gleich losheulen, aber sie warf nur in einer heftigen, leidenschaftlichen Geste den Kopf nach hinten und spuckte ihm aufs Hemd, ein glitzernder Klumpen aus italienischem Speichel, der wie ein Juwel an einer Schnur dort hängenblieb. »Hast du überhaupt keine Gefühle?« wollte sie wissen, und immer noch schrie sie nicht. »Du Stinker!« fauchte sie. »Du Schwein. Hast du denn kein Herz?«
Doch, das hatte er. Er hatte sehr wohl ein Herz, aber er war nicht bereit, mit ganz Sizilien einen Krieg anzufangen, und er würde den Teufel tun und zulassen, daß ein Kerl namens Guido Capolupo sein eigen Fleisch und Blut großzog, und deshalb ging er, sobald Giovannella ihm den Rücken gekehrt hatte und über das leere Grundstück in ihrem steifen, von den Röcken behinderten Trott davongehastet war, zu Menhoffs Kneipe, um herauszufinden, was sich da unternehmen ließ. Er hatte vor, erst mal ein Bier und einen Whiskey zu kippen, um das Pochen in seinem Kopf und das saure Brennen in seinem Bauch zu lindern – obwohl er das Zeug nicht brauchte, nicht richtig, nicht so wie sein Alter –, und dann vielleicht ein paar diskrete Erkundigungen einzuholen, sonst nichts.
Bei Menhoff ging es an diesem Nachmittag ziemlich lebhaft zu, und das half ihm, über den ersten Schock hinwegzukommen – er schüttelte ringsherum Hände, setzte ein fröhliches Gesicht auf, spielte sogar ein paar Runden Pool. Doch trotzdem war er in einer anderen Welt, ihm tat alles weh, von den knirschenden Backenzähnen bis zum Knochenmark, und wozu sollte er für das Billardqueue Kreide verwenden, wenn er es mit dem eigenen Zahnmehl einreiben konnte? Eigentlich
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