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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sowieso nicht werden. Er sah Brush mit unschuldiger Miene an. »Und woran dachten Sie?«
    »Nun, ich habe mir eine Sache mal näher angesehen, und zwar das Duschen«, sagte der Arzt. Sie standen am Eingang zum oberen Salon; Mr. McCormick lag im Bett, Nick und Pat hatten gerade die Schicht begonnen. »›Sieben bis acht Uhr morgens: Duschbad.‹ Klingt das nicht etwas übertrieben? Selbst im Interesse von Sauberkeit und Hygiene? Ich selbst zum Beispiel verbringe nie länger als fünf Minuten in der Dusche, und ha! Sie werden wohl zugeben, daß es bei mir eine ganze Menge mehr zu waschen gibt als bei Mr. McCormick. Jedenfalls dachte ich mir, daß wir diese Zeit zurückschrauben könnten – schön langsam natürlich –, bis er am Ende nur noch fünf bis zehn Minuten lang duscht, und die gewonnene Zeit können wir dann für seine Genesung und völlige Heilung nutzen...«
    O’Kane zuckte die Achseln. »Sicher, gut möglich. Aber beim Duschen ist Mr. McCormick ziemlich stur, das ist eine seiner Lieblingsobsessionen, und es könnte schwierig werden, ihm das zu...«
    »Ach was.« Der Arzt winkte ab. »Überlassen Sie das nur mir – Obsessionen sind mein Geschäft.«
    Und so kam es, daß am nächsten Morgen, gerade als O’Kane und Mart Mr. McCormick in die Dusche geführt hatten, Dr. Brush auftauchte – barfuß und hünenhaft in einer langen, wallenden Regenpelerine von der Größe eines Zwei-Mann-Zelts. »Guten Morgen, guten Morgen!« dröhnte er, und der lärmende Ruf hallte in der schmalen Kabine der gefliesten Dusche wider, als wären es Hunderte von Stimmen. »Kümmern Sie sich nicht um mich, Mr. McCormick«, schrie er, während die bleichen, fleischigen Zehen auf den nassen Kacheln klatschten und das Wasser schon von seinem Umhang perlte. »Ich bin nur im Interesse der Effizienz hier, um ihr Duschbad zu beobachten, schlicht und einfach aus dem – also, sehen Sie in mir einen dieser Wirtschaftlichkeitsexperten, die Industrielle wie Sie immer wieder einsetzen, um die Produktionsabläufe zu verbessern und zu beschleunigen... Machen Sie nur weiter, lassen Sie sich nicht stören...«
    Mr. McCormick saß nackt auf dem Boden unter einem der drei Duschköpfe und seifte sich heftig mit einem frischen Stück Palmolive-Seife die Brust ein. Anfangs wirkte er beunruhigt und machte sogar eine Geste, als wollte er seinen Schambereich verdecken, überlegte es sich dann aber offenbar anders, wandte sich von dem Arzt ab und seifte sich weiter ein.
    »Also, ich dachte mir«, fuhr der Doktor fort, im aufsteigenden Dampf und dem Wasser, das gegen die Wände prasselte und ihm im Aufspritzen die Beine naß machte, »wir werden damit anfangen, unsere Duschzeit ein wenig zu verkürzen – auf vielleicht, na, wie wär’s mit einer Viertelstunde, Mr. McCormick? Sehen Sie, und ich bin sicher, Sie werden mir da beipflichten, das ist doch eine mehr als vernünftige Zeitspanne, um sich gründlich zu reinigen, schlicht und einfach aus dem Grund, daß der menschliche Körper nur mit einer begrenzten Menge Schmutz behaftet sein kann, besonders wenn man täglich duscht, meinen Sie nicht auch?«
    O’Kane stand in der Tür zum Badezimmer, seiner Standardposition, von wo er Mr. McCormick in der Dusche beobachten konnte, ohne ihn allzusehr zu bedrängen, und Mart war draußen im Zimmer, wo er Mr. McCormicks Frühstückstisch deckte. Zwar war die Dusche ziemlich groß – sie hätte mindestens drei Personen Platz geboten –, trotzdem hatte O’Kane das unangenehme Gefühl, daß der Doktor ein unnötiges Risiko einging. Es ließ sich nicht sagen, wie Mr. McCormick diese Invasion seiner Privatsphäre auslegen würde, Effizienz hin oder her, und falls er durchdrehte, so bestand bei den glatten Fliesen und dem stetig fließenden Wasser immer die Möglichkeit eines bösen Sturzes. Ihm gefiel die Situation kein bißchen, und er hatte die pessimistische Vision, wie er sich ins Gemenge warf und wieder einmal einen Anzug ruinierte.
    Doch Mr. McCormick überraschte ihn. Er wirkte nicht sonderlich erregt – jedenfalls bemerkte O’Kane nichts davon. Er hielt dem Eindringling nur die weiße Fläche seines Rückens zugewandt und seifte sich um so kräftiger ein, je länger der Doktor dahinplapperte und das Wasser in einer Kaskade aus stahlharten glitzernden Nadeln herabfiel. So ging es eine Zeitlang weiter, bis O’Kane auf ein Zeichen von Brush Mart herbeirief, der in die Dusche trat, um den Wasserhahn abzudrehen.
    Im nächsten Moment versiegte der Strahl der

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