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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Brause. Mr. McCormick warf einen gehetzten Blick über die Schulter auf den Arzt, dann auf O’Kane – jetzt geht’s los, dachte O’Kane und spannte sich an –, doch der Patient tat nichts weiter als auf dem nassen Boden ein Stück weit zu rutschen, so daß er zu den Armaturen hinauflangen konnte. Er drehte mehrmals an den Griffen und bewegte sich dann in einem schiebenden Krebsgang zuerst nach links, dann nach rechts, um es bei den beiden anderen Brausen zu probieren. Er brauchte recht lange dafür, und als er sich schließlich überzeugt hatte, daß das Wasser tatsächlich versiegt war, rutschte er genau zu der Stelle zurück, an der er vor der Störung gesessen hatte und fuhr fort, sich einzuseifen, als wäre nichts geschehen.
    Dr. Brush wiederum sagte dabei Sachen wie »Also gut, Mr. McCormick, sehr schön, dann hören wir jetzt mal langsam auf, nicht wahr?« und »Ist das nicht viel besser so? Finden Sie nicht? Optimistisch grinsend erhob er sich über der zusammengesunkenen Gestalt ihres Arbeitgebers, seine Zehen krallten sich wie Finger in den Boden, die gelbe Pelerine tropfte, die kurzen Haare in seinem Nacken kräuselten sich in der Feuchtigkeit wie Entenfedern. Aber Mr. McCormick achtete nicht auf ihn, sondern drückte seinen ganzen Widerwillen dadurch aus, daß er sich mit dem kleiner werdenden Seifenstück bearbeitete wie mit einer Flagellantenpeitsche, und als es verbraucht war, griff er nach einem neuen.
    »Nun gut«, vertraute Dr. Brush später an diesem Tag O’Kane an, »das ist ein Machtkampf, und wir werden ja sehen, wie weit der Patient zu gehen bereit ist, ehe er begreift, welchen Vorteil es hat, sich effizienter zu verhalten.«
    Am nächsten Morgen war der Arzt zurück; diesmal lag nur ein einziges Stück Seife in der Schale, und das Duschen wurde bereits nach zehn Minuten abgebrochen. Wieder ließ Dr. Brush alle möglichen zuversichtlichen Bemerkungen über das Einsparen von Zeit und Energie und den Wert der Disziplin vom Stapel, doch Mr. McCormick wich um keinen Deut von seiner Routine ab. Nachdem die Brause abgedreht war, seifte er sich noch eine volle Stunde lang ein und erschien zum Frühstück mit grünlich-weißen Palmolive-Schlieren an den Wangen und der Stirn, wie ein Indianerhäuptling auf dem Kriegspfad. Am Tag darauf wurde das Duschen auf fünf Minuten verkürzt und nur Seifenpulver hingestellt, aber Mr. McCormick machte beharrlich weiter, genau wie O’Kane es erwartet hatte. Als das Wasser aus war, rieb sich Mr. McCormick am ganzen Leib mit dem körnigen Pulver ein, bis es sich zu einem gelblichen Schaum auflöste, der dann auf seiner Haut härtete wie eine Glasur.
    Die Krise kam am vierten Tag.
    Dr. Brush verfügte diesmal, gar keine Seife auszuhändigen. Er erschien jovial und energiegeladen wie gewöhnlich und räsonierte mit Mr. McCormick wie mit einem Kind – oder zumindest wie mit einem Imbezilen in der Irrenanstalt. »Aber begreifen Sie denn nicht«, sagte er, die Stimme verflacht und verzerrt vom Prasseln des Wassers, bis der Hahn nach fünf Minuten auf sein Zeichen hin zugedreht wurde, »daß Sie höchst unvernünftig handeln, Mr. McCormick – oder nicht unvernünftig, sondern ineffizient? Meinen Sie denn, Sie könnten Ihre Mähmaschinenfabrik mit so einem Zeitplan laufen lassen, häh? Selbstverständlich bekommen Sie Ihre Seife sofort zurück, sobald Sie, nun ja, wieder anfangen... also, schlicht und einfach aus dem...«
    Mr. McCormick duschte ohne Seife und schien sie auch gar nicht zu vermissen, oberflächlich betrachtet jedenfalls nicht; er saß gut anderthalb Stunden lang unter den trockenen Brauseköpfen, und als er aufstand, griff er nach dem Handtuch, obwohl er längst trocken war. Egal. Er benutzte dieses Handtuch wie ein Büßer seine Geißel und schlug damit aus allen Richtungen auf seinen Körper ein, bis die Haut so aufgeschürft war, daß sie zu bluten begann und er mit Gewalt davon abgehalten werden mußte. Am nächsten Morgen versuchte er nicht einmal, die Dusche aufzudrehen, sondern griff gleich nach dem Handtuch, als wäre er schon naß, und rieb sich damit wie wild an all den aufgescheuerten Stellen, bis sie wieder zu bluten anfingen, und erst nach einem Handgemenge, bei dem er mit den vereinten Kräften von O’Kane, Mart und Dr. Brush überwältigt werden mußte, ließ er davon ab.
    Und so ging es eine Woche lang weiter, bis Mr. McCormick vom Scheitel bis zur Sohle eine wandelnde Schorfnarbe war und Dr. Brush seine fixe Idee von der Effizienz

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