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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einem Schuß Pflaumensaft als Aroma, während sie für ihren »Scotch« noch eine Dosis Holzpech dazuschütteten, zwecks Verbesserung von Geschmack und Körper. Es war, als tränke man Strychnin, Batteriesäure, WC -Reiniger, aber es wirkte allemal, und O’Kane griff darauf zurück, ein treuer Kunde, ein täglicher Kunde, dessen Hände zitterten, wenn er seine Geldscheine entfaltete und sie Bill McCandless aus Lompoc, Charley Waterhouse aus Carpinteria oder dem Farmer Caty aus Gott-weiß-woher zuschob. Sie betrieben die Destillen – sie machten den Dreck –, und der gutaussehende Eddie O’Kane nahm ihn mit nach Hause auf sein Zimmer und trank ihn weg. O ja, alle Jubeljahre ging er mal in Menhoffs Kneipe, bestellte sich ein Hamburger-Sandwich mit Ginger-ale und saß dann herum, trank ein Ginger-ale nach dem anderen, bis die Flasche in seiner Gesäßtasche leer war und ihm jemand zur Tür hinaus helfen mußte, aber meistens ging er nur auf sein Zimmer und starrte die Wände an.
    Und was das für Wände waren. Mrs. Fitzmaurice hatte sie hinter einer dicken, fasrigen Schicht billigster Tapeten begraben, mit großzügigen Mengen Kleister aufgepappt auf etwas, was Gips sein mochte und ebenfalls reichlich bemessen war. Es waren keine geraden Wände, absolut nicht – sie warfen, wellten und bauschten sich, falteten hier eine Kordillere auf und sanken dort zu tiefen Lagunen ab. Das Muster der Tapete sollte irgendwelche röhrenartige Blumen darstellen, die sich endlos in Blau, Lila und Minzgrün wiederholten, und wenn O’Kane sie lange genug anstarrte, wurden diese Blumen erst zu Glocken, dann zu Würsten und schließlich, wenn er genug von dem Lompoc-Fusel gebechert hatte, zu abgeschlagenen Köpfen, die aufs Grausigste und Unnatürlichstein die Länge verzerrt waren. Nur wenige Möbel verstellten ihm die Sicht – Waschtisch, Bett, Kleiderschrank, Stuhl und Tisch –, aber das störte O’Kane nicht. Möbel konnte er in Riven Rock den ganzen Tag lang betrachten, Zimmer um Zimmer davon, vom Feinsten, was es zu kaufen gab. Er brauchte sie nicht mit nach Hause zu nehmen – und so sparte er sich die Belastung. Besitztümer waren für die Reichen, und er war nicht reich, würde es auch niemals werden – außer Jim Isringhausen gelang ein kleines Wunder.
    Mrs. Fitzmaurice hatte sein Zimmer mit ihrem Meisterwerk verziert, einem ambitiösen Gemälde von 120 × 50, mit einer gewagten Mischung von Hündchen und Kätzchen, die auf den ersten Blick einen dämonischen Kampf um die Überreste eines ausgeweideten Kleintiers ausfochten, was sich bei näherem Hinsehen jedoch als unschuldige Balgerei um ein Wollknäuel entpuppte. Dieses inspirierte Werk nahm den Ehrenplatz über dem Bett ein, wo O’Kane den Kopf verdrehen mußte, wollte er es betrachten, während er trank und die einzige Schallplatte hörte, die er besaß (eine ätherisch knisternde Aufnahme von »Semper Fidelis«, die klang, als wäre sie im Umkleideraum des Footballteams der Notre Dame University aufgenommen worden). In der einen Wand klaffte ein Fenster, in der anderen war eine Tür; die dritte war ein ununterbrochenes Medley aus glocken- und wurstförmigen Blumen. Die übrigen Pensionsgäste – sie waren zu acht, alle in verschiedenen Stadien von Hoffnungslosigkeit und Verfall – mieden ihn sichtlich, außer beim Essen, wenn ein gewisses Maß an Kontakt und sogar Konversation unvermeidlich war, doch er fing an, die Mahlzeiten auszulassen und ihnen auf dem Flur auszuweichen, noch bevor sie Gelegenheit fanden, ihm auszuweichen.
    Und so ging es den Winter hindurch, in den Frühling hinein und dann in den glühenden, zitrusversengenden Sommer. Langsam ließ O’Kane öfter einen Arbeitstag aus, wenn der schwarzgebrannte Whiskey oder Scotch oder der »echte holländische Genever« einmal besonders schlecht gewesen war und ihm so zusetzte, daß sogar seine Zahnfüllungen schmerzten, und ihm gefiel es gar nicht, daß er die Arbeit vernachlässigte, er wußte, das war der Anfang vom Ende von allem, wofür er gekämpft und was er erhofft hatte, aber er konnte einfach nicht die Energie aufbringen, es wichtig zu nehmen. Und sonst nahm es ja auch niemand wichtig. Brush war im Abgang begriffen, das sah jeder Blinde. Er hatte aufgehört, regelmäßig zu erscheinen, und wenn er einmal auftauchte, dann sagte er meist nicht viel mehr als hallo und auf Wiedersehen zu Mr. McCormick, ehe er das Theatergebäude grummelnd und brabbelnd wieder verließ und sich in seinem Büro

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