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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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er, sie seien für die Richter reserviert. Heute gab es nur vier Gedecke – für Mart, O’Kane, Dr. Brush und ihren Gastgeber –, demnach konnte man annehmen, daß die Richter bereits gespeist hatten.
    »Aber sicher doch«, hörte sich O’Kane sagen, in dessen wirrem Hirn ganz hinten leise eine Alarmglocke ertönte, »Abschlußjahrgang 1894 in Princeton. Er hat mit Ihnen studiert.«
    Mr. McCormick begann wieder von einem Bein aufs andere zu hüpfen; auch dies war eines seiner Rituale, und es bedeutete, daß der Fußboden in Flammen stand. Wenn er nicht in Flammen stand, dann war er aus Leim, aus einem sehr wirksamen, zähen Leim, in dem er nur mit Mühe die Füße heben konnte. Jetzt aber hüpfte er, und weil er hüpfte, war er zu beschäftigt, um O’Kanes Mitteilungen zu kommentieren.
    »Er wohnt in New York«, fuhr O’Kane fort, der inzwischen ein klein wenig verzweifelt war und die nackten Tatsachen aufmarschieren ließ, um mit ihrem schieren Gewicht die Sicherheit zu erlangen, die er anstrebte. »Er hat irgendwas mit der Börse zu tun, glaube ich. Und sein Bruder, den kennen Sie doch – oder jedenfalls wissen Sie von ihm. Dem gehört das große schöne Haus in der Sycamore Canyon Road, an dem wir manchmal bei unseren Spazierfahrten vorbeikommen.«
    Als Mr. McCormick immer noch keine Antwort gab, dachte O’Kane, der sich höchst merkwürdig und nicht recht auf dem Damm fühlte, so als hätte er Fieber – oder eine Kombination aus Fieber und Kater –, eine Zeitlang nach und versuchte sich zu erinnern, was er noch über Jim Isringhausen wußte, abgesehen davon, daß seine Schwägerin im Bett eine Wucht war. Nicht viel. Nicht allzu viel. Er wurde etwas unruhig deswegen, dann setzte er erneut an. »Mr. McCormick, als Sie noch... na ja, also, bevor Sie nach Riven Rock gekommen sind, vor Ihrer Hochzeit, meine ich, also, ich hätte gern gewußt, was Sie damals davon gehalten haben, Geld in Immobilien anzulegen – so ganz allgemein.«
    Mr. McCormick war zum Fenster gehoppelt, wo er einen Löffel abwechselnd ins Licht hielt, anhauchte und an seinem Hemdsärmel polierte. Er sah O’Kane mit leerem Blick an.
    »Ihre Grundstücke. Ihre Ranch in New Mexico. Die Häuser in Chicago. Ihre Villa in Massachusetts.«
    Das war eine harte Nuß, die Mr. McCormick sichtlich verdatterte. O’Kane erwartete darauf keine Antwort, wußte auch gar nicht, was genau er eigentlich gewollt hatte – freilich war Mr. McCormick reich und vermögend, aber er hatte sein ganzes Geld geerbt und war ein verrücktes Huhn, wozu also fragte O’Kane ihn überhaupt um Rat?
    Mr. McCormick hüpfte zum Tisch zurück, linker Fuß, rechter Fuß, links, links, rechts, und legte den Löffel zurück. Er betrachtete sein Arrangement nervös, dann wandte er O’Kane das blutleere Gesicht zu. »Meine... meine Frau v-verwaltet meine G-Grundstücke. Ich, ich« – lange Pause – »... ich kümmere mich um diese Dinge nicht mehr.«
    Was hatte er erwartet? Einen Orakelspruch? Tiefschürfenden finanziellen Rat? Ein Darlehen? O’Kane sank tiefer in seinen Sessel. Alles im Zimmer schien in Bewegung zu sein, jedes Atom knallte gegen das nächste, bis die Möbel und die Wände geradezu waberten, und er wußte, er brauchte wieder einen Drink. Er stand schwankend auf, rüttelte Mart wach und verschwand auf die Toilette, wo er den Keramikdeckel des Wasserkastens aufklappte und die kleine Flasche mit dem Zeug herausfischte, von dem ihm Charley Waterhouse letzte Nacht einen ganzen Kasten verkauft hatte. Was immer es war, O’Kane hatte einen Liter davon in zwei kleine Flaschen umgefüllt, weil es so leichter zu transportieren und zu verstecken war, und jetzt, während die Visionen von Orangenhainen in seinem Kopf verblaßten, hob er die kühle Glasöffnung an die schrundigen Lippen und gab ihr einen langen, heftigen Kuß, ließ das Fieber erneut aufflammen, bis er nicht mehr wußte, sollte er kotzen oder das Bewußtsein verlieren – oder beides.
    Als er ins Zimmer zurückkehrte, argumentierte Mr. McCormick mit irgendwem in dem hohen, quengligen Tonfall, der einen bevorstehenden Anfall erahnen ließ, mit Mart sprach er jedoch nicht. Mart schlief schon wieder, hing in einem Sessel und schnarchte leise. Nein, Mr. McCormick verteidigte sich vor seinen Richtern – »Ich hab es nicht so gemeint – ich wollte doch nicht – niemals – ja, ich schäme mich, wirklich!« –, und O’Kane bereitete sich auf das Schlimmste vor. Diesmal jedoch war das noch viel schlimmer, als

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