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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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verschanzte. Mart war so begriffsstutzig wie immer, kapierte überhaupt nichts, und Nick und Pat wurden allmählich so fett, daß sie aussahen wie ein Bulldoggenpärchen, das im Stehen schlief. Und Katherine, der regierende Genius loci, ließ sich nirgends sehen. Sie war ein Name in der Zeitung, Mrs. Stanley McCormick, die mit einem Haufen von fanatischen Blutsaugerinnen im ganzen Land herumzog – jetzt, da die Frauen das Wahlrecht besaßen und die Sauferei niedergestimmt hatten, wollten sie die Babys auch gleich abschaffen. Sicher, wieso denn nicht – sollte der Storch sie aus dem Himmel bringen, damit die Frauen ihre Freizeit mit Rauchen, Meckern und Hosentragen verbringen konnten.
    Auch der Haushalt in Riven Rock zeigte einen deutlichen Niedergang – was sogar der vom Alkohol benebelte O’Kane bemerkte. Torkelson war weg, abgeworben von einem anderen Millionär aus der Nachbarschaft, der nicht schizophren war, und der neue Mann, ein schwerfälliger, langsamer Bursche mit falschem englischem Akzent und dem lächerlichen Namen Butters, ließ das Personal praktisch mit Mord davonkommen. Überall lag Staub, gewaltige Schwaden davon stiegen aus jedem Sessel auf, in den man sich setzte, Mr. McCormicks Hemden waren nachlässig gewaschen und liederlich gebügelt, die männlichen Dienstboten verbrachten den halben Tag damit, in der Küche die Füße hochzulegen, und einen Besen oder Federwisch sah man überhaupt nicht mehr in Aktion, geschweige denn einen Scheuerlappen. Außerhalb des Hauses war es noch schlimmer. Stribling hatte am Tag nach der Geschichte mit der Taschenratte gekündigt, und in Ermangelung einer besseren Idee hatte Brush dem hageren Iren die Gärtnerei übertragen (O’Mara hieß er, nicht O’Hara, er kam aus Poughkeepsie/New York und konnte einen Kaktus nicht von einer Kokospalme unterscheiden), und von da an ging alles rapide den Bach runter. Am hellichten Tag pennten die Italiener unter den Büschen, die Taschenratten nagten sich durch den Garten und wühlten die Rasenflächen auf, ganze Blumenbeete verwelkten aus mangelnder Pflege, aber niemand schien das zu bemerken, schon gar nicht Mr. McCormick – der redete meist nur mit seinen Richtern, las mit einem halben Dutzend Stimmen laut vor und jagte in wahnwitzigem Galopp über das Grundstück, sobald ihm jemand die Haustür öffnete.
    An einem Tag im Spätherbst, die Sonne stand tief und ein scharfer Wind zauste die Bäume und ballte sich zu kleinen Wölkchen von gelbem Staub, entschloß sich O’Kane, wieder einmal betrunken in der Arbeit, das Thema der Orangenhain-Investition mit seinem Arbeitgeber zu erörtern. Mart lag auf dem Sofa und schlief. Dr. Brush war in seinem Büro. Bis auf das Heulen und Fauchen des Windes war im Haus kein Laut zu hören. »Mr. McCormick«, begann O’Kane und legte das Buch beiseite, in das er seit einer halben Stunde ohne viel Erfolg hineinstarrte, »ich wäre an Ihrer Meinung zu einer bestimmten Sache interessiert – zu einer Kapitalanlage, die ich gemeinsam mit Jim Isringhausen getätigt habe. Auf dem Zitrus-Markt.«
    »Mit wem?« Mr. McCormick flitzte um den Tisch, hüpfte leichtfüßig von einem Bein aufs andere und arrangierte die Stühle und Gedecke für das Mittagessen, eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. An manchen Tagen brachte er über eine Stunde damit zu, die Sitzgelegenheiten immer wieder umzustellen und Teller, Löffel, Tassen und Untertassen um halbe Zentimeter nach rechts oder links zu verschieben, die Servietten in ihren Ringen geradezuzupfen und die Schnittblumen in der Vase auf dem Tisch neu zu ordnen. Es gehörte zu seinen Ritualen, und zwar zu den harmloseren, deshalb hatten alle Ärzte ihn dazu ermuntert, sogar Brush – so war er wenigstens beschäftigt.
    »Jim Isringhausen«, wiederholte O’Kane. »Er sagt, er kennt Sie aus Princeton.«
    Wie Mr. McCormick daraufhin reglos am Tisch stand, erinnerte er an einen Wasservogel, an ein hageres Schnabelwesen, das einen Frosch oder einen Stichling betrachtet, kurz bevor es ihn aufspießt und als Ganzes hinunterwürgt. Sein Blick huschte zu O’Kane und zog sich dann wieder zurück. »Nie von ihm gehört«, sagte er, während er Löffel und Teller am Platz des Doktors zurechtrückte, und dann sagte er mit halblauter Stimme etwas zu einem seiner Richter. Das war nicht ungewöhnlich, besonders zu den Mahlzeiten, und O’Kane dachte sich nichts dabei. Oft deckte Mr. McCormick Extraplätze am Tisch, und wenn Dr. Brush ihn deshalb befragte, erklärte

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