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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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wahrlich dünn gesät waren – ganz zu schweigen von einem männlichen Küchengehilfen, den Sam Wah mitgenommen hatte. Als Notbehelf wurde zunächst einer der mexikanischen Gärtner befördert, der behauptete, er habe vor der Revolution in einem Restaurant in Veracruz gekocht. Er hielt sich drei Tage lang, an denen das Haus von eigenartigen, beunruhigenden Gerüchen durchweht war. Jede Mahlzeit, die er zubereitete, schien aus einer klebrigen Bohnen-Reis-Paste zu bestehen, eingewickelt in eine dünne, brotartige Substanz, die niemand identifizieren konnte, und war immer so beißend und vor allem dauerhaft scharf, daß es einem wie loderndes Petroleum in der Kehle brannte. Mr. McCormick bekam das nicht gut, und er verbrachte ganze Vormittage mit heruntergelassener Hose auf der Toilette, wo er das Klopapier faltete und wieder entfaltete, während er auf die nächste Eruption seiner Eingeweide wartete.
    Als nächstes probierten sie es mit einem ausgemergelten, sonnengegerbten alten Mann, der früher einmal einen Proviantwagen für die Schafhirten in den Hügeln von Goleta betrieben hatte, aber der wiederum konnte nichts als Hammelfleisch zubereiten, und nach einer Woche davon – gekocht, gebraten, geschnetzelt, gegrillt und bis zur Mumifizierung im Tontopf geschmort – gingen sie dazu über, sich von Diehls Feinkostgeschäft etwas kommen zu lassen, drei Mahlzeiten täglich. Schließlich nahm Dr. Brush, der höchst unzufrieden und entnervt war, eines Nachmittags O’Kane beiseite und fragte ihn, was er davon hielte, eine Frau anzustellen – nur zum Kochen und für die Küchenarbeit.
    »Eine Frau?« wiederholte O’Kane, als sprächen sie von einer fremden Gattung, und er dachte dabei an Elsie Reardon und die anderen Dienstmädchen, die sie in der Anfangszeit gehabt hatten. Es war schon so lange her. So lange, daß es ihm vorkam, das Frauenverbot wäre seinerzeit in Stein gehauen und vom Berg Sinai gebracht worden.
    »Ja!« rief Brush ungeduldig, weil er sich ärgerte, daß er nebenbei als Verwalter und Majordomus des Hauses fungieren mußte, wo er doch als studierter Psychiater selbstverständlich zu Höherem berufen war, schlicht und einfach aus dem Grund, daß er dafür ausgebildet und eingestellt worden war. Er sah O’Kane entnervt an. »Mr. McCormick ist in letzter Zeit, tja, viel ruhiger«, sagte er, »abgesehen natürlich von dem unseligen Vorfall mit dem Koch, meine ich, und wenn wir der Frau strikten Befehl geben, daß sie keinesfalls den Küchentrakt verlassen darf, und ein scharfes, wachsames Auge auf den Patienten haben, tja, dann sehe ich gar keinen Grund, warum wir, tja, keine Köchin einstellen sollten. So geht es jedenfalls nicht weiter, das ist klar.«
    O’Kane musterte ihn kurz und versuchte das Ausmaß der Erregung des Arztes abzuschätzen, dann zuckte er die Achseln. »Sicher«, sagte er. »Warum nicht?«
    Und so kam es, daß O’Kane am nächsten Morgen im Haus von einem Duft nach Saucen und Gewürzen und frischgebackenem Brot begrüßt wurde, der ihn vor Appetit fast ohnmächtig umfallen ließ: richtiges Essen – italienisch, dem Geruch nach –, nicht der immergleiche, namenlose Dreck, den Mrs. Fitzmaurice in ihrer Pension auftischte. Er schloß die Gittertür oben auf und sperrte sie sorgfältig hinter sich ab, nun war wieder eine Frau im Haus, da durfte er auf keinen Fall nachlässig oder vergeßlich sein. Mart las Mr. McCormick aus einem Buch mit Shakespeare-Dramen vor. Sie wirkten beide entspannt und wandten sich lächelnd zu ihm um, als er von der Tür auf sie zuging. »Guten Morgen, Mr. McCormick«, sagte er und fühlte es auch, fühlte die Veränderung, die über sie gekommen war, den Zauber, die Segnung des guten Essens.
    »M-Morgen, Eddie«, sagte Mr. McCormick klar und fröhlich. Mart, dessen aufgeplatzte Lippe inzwischen wieder verheilt war, sah von dem Buch auf und knurrte etwas zur Begrüßung.
    »Riecht ja toll«, sagte O’Kane, denn der satte Duft nach Wurst, Knoblauch und Tomaten war aus der Küche bis in die obere Etage hinaufgedrungen.
    »Ja«, sagte Mart und wackelte grinsend mit seinem großen Kopf. Alle drei mußten unwillkürlich schlucken.
    »Na, und wer ist die neue Köchin?« wollte O’Kane wissen, während er neben Mart auf das Sofa sank.
    Mart sah zu Mr. McCormick hinüber; Mr. McCormicks Augen glitzerten. Er hatte einen Gesichtsausdruck, der neu war – ihm mußte niemand erzählen, daß da unten eine Frau war. »Weiß nicht«, sagte Mart. »Irgendeine Witwe,

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