Riven Rock
zudrückte, da stellte O’Kane fest, daß er noch etwas anderes wiederentdeckte: seine Libido. Er erwachte jeden Morgen mit einem enormen Prügel zwischen den Beinen, und wenn er die Straße entlangschlenderte, um auf Roscoe zu warten, glotzte er jedem weiblichen Wesen zwischen zwölf und sechzig hinterher und tippte sich so oft an den Hut, daß die Krempe schon ganz abgenutzt war. Er brauchte eine Frau. Die gesamte restliche Woche und die nächste dachte er kaum an etwas anderes, das unsagbare Problem, wo er eine finden konnte, brannte ständig in seinem Kopf – ob er nun gerade die Nadel auf seine Sousa-Schallplatte auflegte, die versperrte Tür zum oberen Salon entriegelte oder mit Mart und Mr. McCormick zu einem ihrer verrückten Querfeldeinläufe aufbrach. Wenn er den leisen Trompeten, Tubas und Sousaphonen lauschte oder hinter Mr. McCormick hertrottete, drehte und wendete er das Problem immer wieder hin und her: Frauen, jedenfalls die Sorte Frauen, die er im Sinn hatte, die saßen in hellen Scharen beim Cocktail in den Flüsterkneipen, die überall in der Stadt entstanden waren, aber um an sie heranzukommen, würde auch er einen Cocktail trinken müssen, und der eine führte garantiert zum nächsten, bis ihm wieder alles egal war, er Appetit und Geruchssinn verlor und Mr. McCormicks Richter in ihrer ganzen unwiderlegbaren Körperlichkeit vor sich sitzen sah.
In genau diesem Zustand, mürrisch und geil wie ein Bock, aber hellwach für jeden sinnlichen Hauch auf der Welt, ging O’Kane eines Morgens in Riven Rock die Treppe hinauf zum oberen Salon und sah dort Mr. McCormick, der die Arme so weit wie möglich durch die Gitterstäbe streckte und mit beiden Händen die Kehle von Sam Wah, dem Koch, gepackt hielt. Sams Gesicht hatte bereits eine häßliche Farbe, es war angeschwollen und dunkel wie ein blauer Fleck, und obwohl er seinerseits die Hände um Mr. McCormicks Knöchel schloß, wehrte er sich kaum, seine Füße strampelten in der Luft, über die Augen legte sich ein matter Film. Und Mart? Wo war der? Er lag bewußtlos auf dem Boden hinter Mr. McCormick, und in seinem Mundwinkel erblühte eine glänzendrote Nelke aus Blut.
O’Kane verlor keine Zeit – im Nu rannte er die Treppe hinauf und schlug methodisch auf Mr. McCormicks Unterarme ein, kein Wort wurde gewechselt, nichts als Ächzen und Flüche und scharfes, zischendes Luftholen, bis Mr. McCormick Sam endlich losließ und der Koch zu Boden plumpste wie ein Sack alter Kleider. Doch Mr. McCormick war noch nicht fertig, noch lange nicht. Sobald O’Kane seine Hände auseinanderzwang, packte Mr. McCormick statt dessen O’Kane an beiden Armen und riß ihn mit aller Gewalt gegen die harten Metallstangen, und während der Kampf weiterging, rappelte sich Sam Wah benommen auf, rieb mit zittriger Hand wütend seinen Hals und brach in eine schrille Litanei von chinesischem Wehgeschrei aus. Zu guter Letzt bekam O’Kane Mr. McCormick in den Griff, und in einer Pattstellung hielten sie inne, jeder hatte die Arme des anderen durch die unnachgiebigen Eisenstäbe gepackt.
»Sie nich wollen, ich nich Koch!« schrie Sam Wah, der auf dem Treppenabsatz herumtanzte und die Fäuste schüttelte. »Mistah Cormah, Sie kein Recht dazu!«
O’Kane warf einen raschen Blick an dem verzerrten Gesicht seines Arbeitgebers vorbei, sah das Frühstücksgeschirr im Zimmer verstreut und zog den Schluß, daß Mr. McCormick etwas gegen die Zubereitungsart seiner Spiegeleier einzuwenden gehabt hatte.
»Sie kein Recht dazu so mich am Hals fassen, Mistah Cormah!« Sam Wah war grün vor Wut. Er riß sich die Schürze herunter, knüllte sie zusammen und schleuderte sie zu Boden, neben seine Haube, die dort bereits in einem früheren Stadium ihrer Auseinandersetzung gelandet war. »Mistah Cormah, muß ich sagen, nach vierzehn Jahr ich kündige!«
Eisern in O’Kanes Armen verhakt, stand Mr. McCormick reglos auf der anderen Seite des Gitters, verzog keine Miene, sprach nicht ein einziges Wort, aber er hatte den Kiefer bockig vorgeschoben, und der Ausdruck in seinen Augen besagte, daß er niemals loslassen würde, gekränkter Trotz eines überaus verzogenen reichen kleinen Jungen, der lieber sterben würde als zuzugeben, daß er im Unrecht war.
Die Konsequenz all dessen war eine Revolution im kulinarischen Alltag in Riven Rock. Brush, dem die Sache im Grunde egal war, besprach sich mit Butters und den Pflegern und wer ihm sonst noch zuhören wollte, wobei sich ergab, daß männliche Köche
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