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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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tagelang weh tat, gelang es ihm immerhin, ihr Kleid hinaufzuschieben und den Schlüpfer herunterzuziehen und sich selbst aus seiner Hose zu befreien, doch als es an den blinden, impulsiven Augenblick des Einführens ging, in dem er endlich doch mit ihr eins werden konnte, da wich er zurück, und sie spürte nichts als eine vorzeitige Nässe und die packende, saugende, verrinnende Leere einer Sehnsucht, die in ihrem ganzen restlichen Leben nie wieder getilgt, gestillt oder aufgefüllt werden sollte.
    So verging die Zeit – Jahre der Abstinenz und der Verweigerung, ein Rückzug aus der Welt der Männer, der so vollkommen war, daß Katherine selbst zu einer Art Gefangenen wurde, zu Mrs. Stanley Robert McCormick, verheiratet, nicht etwa verwitwet, an einen Mann gebunden und doch nicht verbunden mit ihm. Jane war eine Hilfe. Ihre Mutter auch. Die Suffragettenbewegung, die Amerikanische Liga für Geburtenkontrolle und der Verteidigungsausschuß, sie alle waren eine Hilfe. Dennoch war es eine Tatsache, daß sie 1927 zweiundfünfzig wurde, und was Männer anging, hätte sie ebensogut ihr Leben lang Nonne sein können. Geschlechtliche Liebe – heterosexuelle, der Fortpflanzung dienende Liebe – war etwas, das sie nie erfahren würde, damit hatte sie sich abgefunden, doch jenseits der geschlechtlichen gab es auch die loyale Liebe, eine platonische, idealisierte Liebe, und als ihr Aktivismus nachließ, als die Ansprachen sich wiederholten und die Vortragenden langweilig und öde wurden, da dachte sie an Stanley. Immer noch. Nach all den Jahren. War es überhaupt noch Liebe, fragte sie sich, oder nur Neugier? Sie hatte seine Geschäfte mit dem grimmigen, kompromißlosen Eifer verwaltet, den sie auch in die Frauenbewegung und in die Liga für Geburtenkontrolle eingebracht hatte, und sie achtete immer darauf, daß er das Beste von allem bekam; sie schrieb ihm und telephonierte mit ihm, aber es war doch alles reine Abstraktion. Sie wollte ihn sehen, ihm gegenübersitzen, und das hatte Dr. Kempf ihr versprochen.
    Dr. Kempf. Der Neue. Der Freudianer. Der kostspieligste Doktor, der sie soviel kostete wie sechs andere Ärzte zusammen – dennoch hatte sie mit den übrigen Vormündern (Stanleys Bruder Cyrus und seine Schwester Anita, nachdem Favill inzwischen verstorben und Bentley pensioniert worden war, Gott sei Dank) beschlossen, ihn einzustellen. Alles war besser als Stagnation und Zynismus, auch wenn es zehntausend Dollar im Monat kostete.
    Er brauchte über ein Jahr, aber endlich, im Herbst 1927, als sie alle Delegierten heimgeschickt, Prangins für den Winter verschlossen und ihre Koffer voller Pessare durch den Zoll geschmuggelt hatte, teilte er ihr in einem Telegramm mit, die Zeit sei gekommen. Stanley habe durch die Analyse eine radikale Wandlung erfahren, sein Haß auf den tyrannischen Vater sowie die Angst und das Mißtrauen vor der kastrierenden Mutter seien nun freigelegt, alle Aspekte seiner Misogynie untersucht, Selbsterkenntnis und Phobien in Zusammenhang gestellt worden, und nun sei er bereit – zwar nicht gleich zum Erlernen von Standardtänzen oder zum Umkrempeln der International Harvester Company, aber doch immerhin dazu, sich in Gegenwart des anderen Geschlechts als unterhaltsamer, vollendeter Gentleman zu geben. Er sei bereit. Und Dr. Kempf – Edward, nennen Sie mich Edward – fand es nur recht und billig, wenn sie, Katherine, nach zwanzig Jahren die erste Frau wäre, die ihr Ehemann zu Gesicht bekäme – das heißt, die er sehen und vielleicht sogar, wenn die Umstände die richtigen waren, berühren würde.
    Als sie Kempfs Nachricht erhielt und dann ein Ferngespräch mit ihm führte, war sie in Boston, im Haus ihrer Mutter, wo sie die Sachen erledigte, die sich während ihrer Abwesenheit angesammelt hatten, und Jane war nach Philadelphia weitergefahren, um ihre Angelegenheiten zu regeln. Katherine hatte sie am Abend angerufen, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen, und sie beschlossen, in zwei Wochen nach Santa Barbara aufzubrechen – gleich nach Thanksgiving. Katherine organisierte einen privaten Salonwagen für sie beide, und als der Zug in Philadelphia haltmachte, stand Jane am Bahnsteig, das Haar ein Flammenmeer und ihr Gesicht öffnete sich wie eine Blüte. »Ich kann’s nicht glauben«, sagte sie, sobald sie im Waggon saßen und sie einen illegalen Drink und eine Zigarette in der Hand hielt, der Bahnhof draußen in Bewegung geriet und die Schienen sie pfeilschnell durch die künstlichen Schluchten der

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