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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einfach zur Tür rausgerannt, konnte ihr nicht mal ins Gesicht sehen. Und Roscoe sagte, er hätte sogar versucht, ins Auto zu gelangen, gütiger Gott.«
    Pat stieß einen leisen Pfiff aus. »Stellt euch vor, der sitzt am Lenkrad! Wer könnte den noch aufhalten – die gesamte Polizei von Santa Barbara? Die Army? Die Navy? Mann, die müßten ihm die Marineinfanterie hinterherschicken!«
    Es war kurz vor Weihnachten, das Haus war geschmückt und aufgeputzt für die Feiertage – dieses Jahr hatte sich Mr. McCormick besonders auf die Dekorationen fixiert –, und O’Kane war noch etwas länger geblieben, um ein bis zwei Täßchen Weihnachtspunsch mit seinen Kollegen zu leeren (er würde mit dem Trinken aufhören, endgültig und unwiderruflich, am Tag nach Neujahr). Außerdem saß er ohnehin zeitweilig fest, weil Roscoe unterwegs war, umMrs. McCormick und Mrs. Roessing irgendwo herumzufahren.
    Nick hing in einem weichgepolsterten Sessel vor dem Kamin, die Füße auf eine Ottomane hochgelegt, die Hände auf dem Bauch gefaltet. So wie Pat – und in geringerem Maße auch Mart – hatte er in den Jahren Fett zugelegt, stetig und unerbittlich, aber das Komische war, daß sie alle drei letztlich ein mysteriöses körperliches Gleichgewicht erreicht hatten, ihre Körper waren so schwer geworden wie ihre Köpfe, wie bei alten Krokodilen. »Ich weiß nicht, ob vielversprechend oder verhängnisvoll das richtige Wort ist – für mich ist das nur die gleiche alte Geschichte, mit oder ohne Kempf.«
    O’Kane zuckte die Schultern. Er sah sich um, auf die Girlanden und Puffmaisketten, die Mistelzweige und die endlos sich wiederholenden Weihnachts- und Schneemänner, die wie Spinnweben von der Decke hingen. »Immerhin hat er sie nicht attackiert.«
    Pat schnaubte und vergrub die Nase in seinem Drink – einem echten Drink, von O’Kane auf gute amerikanische Art persönlich in der Küche zusammengemixt und heiß gemacht, während Giovannella sich mit dem Teig für das Brot vom nächsten Tag plagte und das Spülmädchen, das man eingestellt hatte, um ihr zur Hand zu gehen und das weibliche Kontingent im Haus zu verstärken, eine Jazzmelodie summte und dabei mit einem feuchten Lappen über das Geschirr fuhr. O’Kane hatte einen Toddy zubereitet, nach einem Rezept seines Vaters – so ziemlich das einzige, was er von ihm je gelernt hatte, bis auf den linken Haken vielleicht und den anschließenden schnellen rechten Cross. Zitronen,Orangen, Zucker, eine Stange Zimt, kochendes Wasser und das, was momentan gerade als Rum durchging. Er hatte den richtigen Geruch, und er wärmte einen auf, andererseits ließ sich darüber streiten, wieviel Extrawärme man brauchte, wenn es am zwölften Dezember drei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit draußen noch knapp zwanzig Grad hatte.
    O’Kane spürte den Rum wie Blei in den Adern – er wußte nicht genau, wieviel er inzwischen intus hatte, aber sicherlich schon mehr als vier Drinks – und wollte sich lieber etwas hinsetzen. Nick und Pat schienen damit zufrieden zu sein, ins Feuer zu starren, aber da das Thema von Mr. McCormicks erster Begegnung mit seiner Frau nun einmal angesprochen war, wollte O’Kane auch eine Zeitlang dabei bleiben. »Es wird täglich besser werden«, sagte er. »Morgen und übermorgen und am Tag danach. Keine Telephongespräche mehr – sie ist für morgen zum Mittagessen eingeplant, und sie und Dr. Kempf haben beide vor, es unten im Speisesaal einzunehmen, mit Mr. McCormick an ihrer Seite.«
    »Das will ich erst sehen«, sagte Nick.
    »Ich auch«, warf Pat ein.
    »Kempf sagt, daß sie diesmal hierbleiben wird. Auf unbestimmte Zeit.«
    Nick seufzte, bückte sich nach seiner Tasse auf dem Boden und nahm einen langen, versonnenen Schluck. »Die gibt nie auf, diese Frau, was? Da wartet sie zwanzig Jahre lang auf ihn, und dann rennt er glatt an ihr vorbei wie ein fliehendes Pferd. Merkt sie denn nicht, daß es hoffnungslos ist?«
    »Sie sieht alt aus«, sagte Pat. »Wie eine kleine alte Lady. Wie eine Witwe. Aber die sie da mitgebracht hat, diese Mrs. Russ oder wie die heißt, das ist eine ziemlich knackige Braut, was?«
    »Ich weiß nicht«, sagte O’Kane. »Man darf die Hoffnung nicht fahrenlassen. Alles kann passieren. Bei Leuten wie Mr. McCormick hat’s auch schon wundersameHeilungen gegeben – ich hab so was selbst gesehen. Und überlegt mal, was man heute mit Drüsenextrakten bei diesen Schilddrüsen-Überfunktionen schaffen kann.«
    Von den Thompson-Brüdern kam kein

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