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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Kommentar. Sie schlürften ihre Drinks, die Augen tief im Kopf versunken. Sie konnten sich die Wahrscheinlichkeit selbst ausrechnen.
    »Seht doch mal, wie weit es Mr. McCormick gebracht hat – er stand doch kurz vor der Kippe ins Nichts, bevor Kempf gekommen ist, das wißt ihr genau. Und jetzt erwacht er wieder zum Leben mit dieser Redekur, ja wirklich – das sehe ich allein an seiner Haltung, sein Gang ist viel besser geworden, und er stottert kaum noch.«
    »Ja, ja«, sagte Nick, »aber ins Bett pinkelt er immer noch.«
    »Kempf sagt, er braucht Frauen um sich, und vielleicht hat er recht, oder? Alles andere haben wir probiert, von Affen über die Fixierung im Bett bis zu dem kolossalen Fettarsch von Brush – wißt ihr noch, wie der ihn gleich am ersten Tag auf dem Boden zerquetscht hat? ›Etwas Kompression ist alles, was die brauchen‹, hat er das nicht gesagt?« O’Kane mußte bei der Erinnerung unwillkürlich lachen. »Oder vielleicht wart ihr Jungs da gerade nicht da – oder doch?«
    »Scheiß drauf.« Nick setzte sich in seinem Sessel auf und drehte den Kopf, um O’Kane entnervt anzusehen.
    »Wie? Er ist jetzt eben älter – etwas gesetzter. Klar kann er mit Frauen zusammensein – sollte er auch. Solange er dabei überwacht wird.«
    »Sagen wir das nicht – wir alle – schon seit Jahren? Und wir kriegen nicht die Hälfte von dem gezahlt, was die Münze in Washington jeden Monat druckt«, knurrte Nick, und seine Stimme kratzte den Pfannenboden aus. »Ich meine immer noch, man bräuchte nur einmal die Woche in eine dieser Fuselkneipen auf der De la Guerra oder Ortega Street zu gehen und ihm irgendein williges kleines Ding abzuschleppen, an dem könnte er dann seine Triebe abreagieren wie jeder normale Mann. Es ist nur der Saft, der ihm das Hirn verklebt.« Und er lachte, ein fettes, sattes, animalisches Lachen, und O’Kane wäre am liebsten aufgestanden und hätte ihm ein paarmal ins Gesicht geschlagen, Frohsinn hin oder her.
    »Na, wichsen tut er oft genug, oder?« meinte Pat und rollte seine Tasse in den Händen; er stand jetzt neben dem Feuer, einen Ellenbogen auf den mit Stechpalmenzweigen bestreuten Kaminsims gestützt, das Gesicht vom Alkohol gerötet. »Die Berichte von dir und Mart lese ich ja nicht, aber ich würde sagen, allein in unserer Schicht ist er vier-, fünfmal die Woche dabei – und der Herr steh uns bei, wenn wir nicht jedes zerknüllte Taschentuch für Dr. Kempf aufschreiben, der meiner Meinung nach selber halb pervers ist.«
    O’Kane hörte ihm nicht zu. Er stellte es sich vor – Mr. McCormick zusammen mit einer Frau –, und ob sie wohl zusehen dürften. Er müßte natürlich irgendwie fixiert werden, und die Frau sollte ihr Geschäft verstehen – und Syphilis oder den Tripper dürfte sie auch nicht haben, danke sehr, sonst würden sie alle ihren Job verlieren.
    »Ich glaube, das sind Lesben«, sagte Nick.
    »Wer?«
    »Na, dein Liebling Katherine und diese, wie heißt sie noch, Mrs. Russ. Weißt schon, Eddie, Mösenschlecker.«
    Na, sicher. Er vermutete dasselbe, ganz am Rande seiner Überlegungen, aber er wollte Nicks Bemerkung nicht mit einer Antwort würdigen. Und was war schon dabei, wenn sie es war? Es war immerhin besser, als sich mit einem anderen Mann einzulassen – das wäre Ehebruch gewesen –, und sie mußte ja noch einen Drang haben, auch wenn sie älter wurde und sich allmählich zum Prototyp der alten Jungfer entwickelte, in ihren unansehnlichen langen Röcken und den viel zu großen Hüten... aber was hätte er darum gegeben, sie zu berühren, als sie noch jünger war, und dabei dachte er an den Tag in Hamiltons Büro, als sie den Kopf gesenkt und die Tränen hatte fließen lassen. Und warum hatte sie damals geweint? Weil sie ihren Mann nicht sehen durfte. Tja, jetzt durfte sie, nur war es inzwischen zu spät.
    Er erhob sich aus dem Sessel, das Feuer flackerte auf Nicks breitem Gesicht und seinen Händen und blinzelte metallisch vom Christbaumschmuck zurück. »Noch irgendwer ein Gläschen?«
    Unten in der Küche war Giovannella immer noch mit dem Teig beschäftigt – genug Teig für Itakerbrote und heiße Muffins für alle zweiundzwanzig Angestellten, die zweimal am Tag aßen, und dazu noch ein bißchen was extra, das sie nebenbei verkaufte und vielleicht zu ihren Eltern nach Hause mitnahm. Und ihren Kindern. Niemals die Kinder vergessen. Sie waren ihr Schild und ihre Rüstung, ihr alleiniger Daseinszweck auf dieser Erde und der Grund dafür, daß sie

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