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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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hier in der Weite der McCormickschen Küche einen leichenblassen Teigklumpen bearbeitete. Und wie sie ihn bearbeitete: sie trommelte mit beiden Fäusten darauf ein, als hätte sie ihn gerade bewußtlos geschlagen und wollte ihn jetzt vollends erledigen.
    O’Kane schob sich in die Küche. Seit ihrer Wiederannäherung anläßlich des Erdbebens vor zwei Jahren hatte sie seine Gegenwart in der Küche geduldet, aber er wußte nie, wann sie wieder auf ihn losgehen würde, und nicht nur verbal, sondern mit jedem beliebigen Werkzeug, stumpf oder scharf, das ihr gerade in die Hände fiel, denn ihre gemeinsame Geschichte brodelte und blubberte immer noch im Schmortopf ihres auf ewig nachtragenden Bauernhirns – von der Zeit, da er sie als siebzehnjährige Jungfrau verführt hatte, bis zu diesem Morgen, diesem Nachmittag und diesem Abend. Wenn Mr. McCormick Probleme mit den Frauen hatte, nun, er, Eddie O’Kane, hatte auch welche, und sie begannen und endeten hier, hier in dieser Küche.
    »Immer noch am Saufen?« sagte sie und hieb auf den Teig ein. Das Küchenmädchen, eine Zwanzigjährige mit fliehendem Kinn und einer pickligen Nase, aber auch mit Formen und Rundungen, die das mehr als wettmachten, klatschte mit dem Scheuerlappen herum. Es war Feierabend. In der Küche duftete es noch nach dem Abendessen, Schweinebraten mit Rosmarin, sämiger Sauce, Kartoffelbrei und grünen Bohnen und zum Nachtisch heiße Apfeltaschen.
    »Es ist Weihnachten«, antwortete er.
    Sie sah von ihrem Teig hoch, schlug nur die Augen auf, und diese Augen waren zwei kleine, vordosierte Giftportionen. »Bei dir ist immer Weihnachten.«
    Er näherte sich langsam dem Hackbrett, wo er das kleingeschnittene Obst und die Flasche stehengelassen hatte, immer auf der Hut vor plötzlichen Bewegungen. Giovannella war nicht seine Frau – obwohl er nachgegeben und sie in umständlichen Worten darum gebeten hatte, damals am Tag der Tomatensauce, in einem breiten Bett in dem verlassenen, immer noch nachbebenden Haus –, aber sie nörgelte und meckerte an ihm herum, als wäre sie’s. Und das war seltsam, völlig unerklärlich, denn nichts anderes hatte sie doch die ganze Zeit über gewollt – daß er sie heiratete –, und als der Tag kam, als sie miteinander im Bett lagen und ihre alte süße Lust wiederentdeckten, da stieß sie ihn zurück. »Nein, Eddie«, hatte sie gesagt, während das Haus rings herum ächzte, die Dunkelheit wie ein Gewächs über sie kroch, ein Hund gequält irgendwo in einer fernen Ruine heulte. »Ich kann dich nicht heiraten – du bist schon verheiratet, erinnerst du dich? Hast du mir das nicht erzählt? Und außerdem könnte ich ja wohl nicht von dir, einem Mann wie dir, erwarten, daß er die Kinder eines anderen großzieht, oder?«
    »Nur einen kleinen noch«, sagte er jetzt. »Für die gute Laune. Möchtest du auch einen?«
    Nichts, nicht einmal ein Seitenblick.
    »Wie steht’s mit dir, Mary? Willst du einen Schluck?«
    »Raus aus meiner Küche«, sagte Giovannella. Ihre Stimme klang leise und gefährlich, das Blut war ihr in die Ohren gestiegen, in ihre wunderschönen milchkaffeebraunen Ohren mit den schwarzen Strähnen dahinter und den derben Löchern im Fleisch für die Zigeunerohrringe, die sie manchmal trug. Er liebte diese Ohrringe. Er liebte diese Ohren. Und er fühlte sich sentimental und benebelt, war voller Zärtlichkeit für die ganze Welt und alles Lebendige darin, und für sie, besonders für sie, für Giovannella.
    Sie trat ein Stück zurück vom Knetbrett und griff nach dem ersten Ding, das ihr ins Auge fiel – ein Mehlsieb mit abblätternder grüner Farbe über dem nackten Blech und einer feinen Schicht aus weißem Staub.
    »Was?« protestierte O’Kane. »Komm schon, Giov. Nur ein kleiner Drink. Wird doch niemand weh tun.«
    »Raus. Aus. Meiner. Küche«, skandierte sie und hob das Sieb bedrohlich.
    »Du tust, als wäre ich ein Verbrecher.«
    »Bist du auch«, sagte sie, und wieder hatte sie diesen Unterton, so als ob sie gleich losheulen oder schreien würde. »Du bist ein Verbrecher. Schlimmer – ein egoistisches, stinkendes großes Arschgesicht von Mann!«
    Er ignorierte sie, schnitt Zitronen, preßte Orangen aus, mit geschäftigen Ellenbogen, das Messer in der Hand. Auf einmal wurde er wütend, seine großmütige, allumfassende Stimmung verpuffte wie heiße Luft. Was glaubte sie eigentlich, wer sie war? Er hatte sich in diesem Haus frei bewegt, als sie noch ein Kind in der Küche ihrer Mutter war. »Und

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