Riven Rock
anzustellen.«
Das überraschte O’Kane. Frauen? Ja, gut, aber eine Pflegerin? Oben? Mit ihm eingesperrt?
Katherine sagte nichts dazu. Das Gespenst einer Pflegerin schwebte eine Zeitlang in der Luft, knapp davor, feste Formen anzunehmen, dann löste es sich wieder auf. Mrs. Roessing bat um die Sahne. Kempf sah so aus, als wollte er etwas sagen, hielt aber den Mund.
»Und was ist mit seinen Zähnen?« entfuhr es Katherine plötzlich. Sie sah zu Mrs. Roessing. »Und seinem Körpergeruch?«
»Er hat doch heute früh geduscht, nicht wahr, Eddie?« fragte Kempf und schwang auf dem Stuhl zu O’Kane herum.
»Jawohl, das hat er, und auch sehr gründlich. Er duscht jeden Tag, ohne Ausnahme.«
»Seine Zähne sind allerdings ein anderes Problem«, sagte Kempf, »und ihr Zustand bereitet uns allen Kummer, aber wie Sie ja wissen, hegt Ihr Mann eine Abneigung gegen Zahnärzte, und es ist schwierig...«
»Körper und Geist«, sagte Katherine. »Mens sana in corpore sano.«
»Alles zu seiner Zeit«, entgegnete der Arzt. »Körper und Geist sind eine Einheit, wie Sie richtig sagen, und indem ich den Geist behandle, behandle ich auch den Körper. Warten Sie es ab. In dem Maße, wie sich sein Geist von den Barrieren befreit, werden sich auch seine Zähne spontan bessern. Und dann, wenn es weiterhin nötig ist, einen Zahnarzt zu konsultieren, werden wir eben einen kommen lassen – sobald er sich genug erholt hat –, genau wie wir heute Sie beide haben kommen lassen.« Er hielt einen Moment inne und sah in seine Tasse. »Sie sollten über Stanleys Auftreten heute dankbar sein, Katherine – und ich hoffe, Sie rechnen es mir ein wenig an.«
»Aber darum geht es ja – es war ein Auftritt. Ich möchte meinen Mann gesund und munter sehen, und ich habe das Warten langsam satt. Andererseits halte ich die Psychoanalyse nicht für das Non- plusultra – wie Sie sehr gut wissen. Ich habe mich mit Dr. Roy Hoskins von der Harvard University beraten, der bei Patienten wie Stanley großartige Erfolge mit der Korrektur von Drüsenanomalien erzielt hat, und ich sehe keinerlei Grund, weshalb er nicht herkommen und meinen Mann untersuchen sollte, um festzustellen, ob es nicht auch für sein Problem eine somatische Lösung gibt. Immerhin werden Sie kaum bestreiten, daß Stanley gewisse Anzeichen einer Schilddrüsenüberfunktion erkennen läßt – seine Körpergröße, die unverhältnismäßige Länge seiner Finger und sonstigen Gliedmaßen, die mir, nachdem ich ihn heute gesehen habe, gewachsen zu sein scheinen, und zwar deutlich, und ich denke wirklich...«
Kempf schnitt ihr mit ungeduldiger Gebärde das Wort ab. »Diese Meinung teile ich nicht im geringsten. Die Psychoanalyse hat ihn so weit gebracht, daß er in Gegenwart von Damen am Tisch sitzen und sich als Gentleman benehmen kann, und die Psychoanalyse wird ihn heilen – falls man hier überhaupt von Heilung sprechen kann. Er ist kein Fall von Hyperthyreose, und eine Behandlung mit Drüsenextrakten würde keinerlei Erfolg zeitigen, das versichere ich Ihnen.«
Die Eisprinzessin ließ nicht locker. »Aber ein Versuch würde doch nichts schaden, oder? Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie es wenigstens in Erwägung...«
»Tut mir leid, Katherine«, sagte Kempf, hob die Tasse zum Mund und fixierte sie mit nachdenklichem Blick. »Ich verstehe zwar, was Sie sagen wollen, und ich bin auch bereit, mit Ausnahme von Hexerei alles auszuprobieren, was den Zustand Ihres Mannes bessern könnte, aber glauben Sie mir, der analytische Ansatz ist einfach der beste, und solange ich die Verantwortung trage, müssen Sie diese Entscheidung mir überlassen. Seine Genesung schreitet voran. Das Ergebnis haben Sie heute gesehen.«
Katherine beugte sich vor, beide Ellenbogen bohrten sich in das Tischtuch, bis es Falten warf. »Ja«, sagte sie beißend, »und gestern habe ich es auch gesehen.«
»Immerhin sehen Sie ihn überhaupt«, schoß Kempf zurück. »Ist das nicht etwas?«
»Ja, ja, das schon, Doktor... Edward«, sagte sie. »Aber ich erwarte noch mehr, viel mehr. Und ich habe vor, so lange hier in Santa Barbara zu bleiben, bis die Gesundheit meines Mannes wiederhergestellt ist – sowohl geistig wie körperlich. Das ist meine Mission, nichts anderes.« Sie sah zur Bestätigung Mrs. Roessing an, und Mrs. Roessing, aus deren hübschem Schmollmund Rauch quoll, zwinkerte ihr zu.
»Und noch etwas«, fuhr Katherine fort, sehr lebhaft jetzt und nie zufrieden, niemals, »ich möchte Sie daran erinnern, daß
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