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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Polizei möchte wissen, ob Sie eine Beschreibung geben können.«
    O’Kane sah in das starre Lächeln und versuchte selbst eins, es wurde jedoch nur ein mattes, flüchtiges Grinsen. »Nein«, sagte er, »ich erinnere mich an gar nichts.«
    Am nächsten Tag rollten sie sein Bett zur Tür hinaus und den langen Korridor entlang ins Aufnahmezimmer: Mr. McCormick war am Telephon. »Hallo? Ed-Eddie? Sind Sie in – geht es Ihnen gut?«
    »Sicher«, sagte O’Kane. »Ich werde schon bald wieder herumhüpfen.«
    Mr. McCormicks Stimme klang schrill und aufgeregt, sie blieb an den Konsonanten hängen und verschliff die Vokale. »Ich w-wünschte, ich wäre dabeigewesen, bei Ihnen, um – um zu kämpfen, meine ich. Ich hätte denen eine verpaßt, daß sie noch lange daran denken würden, das wissen Sie...«
    O’Kane fühlte sich elend und zerbrochen, er war gestraft worden für seine Sünden, bemühte sich aber dennoch, ihn zu beschwichtigen – schließlich war das seine Aufgabe. »Das weiß ich. Aber machen Sie sich keine Sorgen, gar keine Sorgen.«
    Pause. Dann Mr. McCormicks Stimme, fast unhörbar leise und gepreßt: »Sie kommen doch zurück, Eddie? Zurück zu m-mir und Mart?«
    Was sollte er sagen? Natürlich würde er zurückkommen, wie ein Sträfling jedesmal zu seiner Eisenkette zurückkehrt, wenn er den Fuß vom Boden zu heben versucht. Es war traurig, und noch trauriger war es, sich das einzugestehen, aber Mr. McCormick war sein Leben. »Klar«, sagte er, »ich komme zurück.«
    Am dritten Tag tauchte Giovannella auf. Er döste gerade ein wenig, genoß das Hin- und Hergleiten zwischen Schlafen und Wachen, während die Mutter des Jungen im Nachbarbett mit beruhigender, leiser, einschmeichelnder Stimme aus einem Kinderbuch vorlas: »Um elf Uhr hatte Pu immer gerne einen Happen zu essen, deshalb freute er sich, als Kaninchen Tassen und Teller auf den Tisch stellte...«
    »Eddie?«
    Die Geschichte stockte kurz, ein winziges Steinchen hatte sich in den Pfad dieser weichen, vorwärtsdrängenden Stimme gelegt, dann nahm sie den Faden wieder auf: »... und als es fragte: ›Willst du lieber Honig oder süße Sahne aufs Brot?‹, da wurde er so aufgeregt, daß er ›beides‹ sagte...«
    »Eddie?«
    Er öffnete die Augen. Da war die Zimmerdecke, genau wo er sie vorhin gesehen hatte, dann ein Aufblitzen der blonden, über die Schulter gekämmten Mähne der Mutter des Jungen, und schließlich: Giovannella. Ihr Gesicht schwebte über ihm, sie blickte besorgt drein, ihre Haarspitzen waren ihm so nahe, daß er das Shampoo riechen konnte, das sie am Morgen benutzt hatte. Er lächelte, eines der Lächeln, für das seine Mutter keinen Namen hatte, weil es spontan und aufrichtig war: Wie konnte er Giovannella etwas vorwerfen? Sie hatte ihn provoziert, das stimmte, aber er hatte nicht das Recht gehabt, sie zu schlagen, niemals, und er hatte es schon seit Jahren verdient, seine Schuld war immer mehr angewachsen.
    »Ich hab mit meinem Vater gesprochen«, sagte sie, und er betrachtete ihre Augen und ihre unberingten Finger, als sie sich das Haar hinter die Ohren steckte. Es war Januar 1929, und sie war achtunddreißig Jahre alt, vollbusig in einer weißen Bluse und einem gelben Pullover darüber, ihr Gesicht wurde mit jedem Tag runder, und sie bekam ein kleines Doppelkinn. »Es wird eine kleine Hochzeit werden, nur die Dimuccis und die Fiocollas, und vielleicht Mart, Pat und Nick, wenn du willst – aber in der Kirche, in Weiß und mit Reisstreuen und allem was dazugehört.«
    Er wußte nichts zu sagen, aber er spürte es, spürte das tiefe Sehnen in seinem Inneren, unter den sechzig Metern Verbandsmull, dem Klebeband, dem steinharten Gips und der Haut, die so zart und nachgiebig war wie... wie die einer Braut. Oder vielmehr: die eines Bräutigams. Er würde Giovannella heiraten, als Ehebrecher und Bigamist, und so seine beiden noch lebenden Kinder legitimieren: Guido mit den breiten Schultern der O’Kanes und Edwina mit den grünen Augen in ihrem süßen Vanillegesicht, und das war es, worauf er sein ganzes Leben lang gewartet hatte: sein Drei-Uhr-Glück. Es war nicht Geld oder ein Orangenhain oder eine Flotte von Automobilen, sondern diese Frau, die sich in einem Augenblick der Gnade und Intensität über ihn beugte, und die Kinder, die hinter den Kulissen warteten. In Ordnung. Gut so. Er war bereit. Er versuchte zu nicken und zuckte vor Schmerz.
    Giovannella lächelte ihn jetzt an, zeigte ihm ihre kräftigen weißen Zähne, die

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