Riven Rock
üppigen Lippen, die feinen Härchen, die sich über ihre Schläfe bis hinab zu dem Grübchen am Unterkiefer zogen. »Sobald du wieder gehen kannst, natürlich«, sagte sie, und ihre Stimme klang mindestens ebenso honigsüß und beruhigend und einlullend wie die der Mutter auf dem Stuhl daneben. »Wir unternehmen gar nichts, ehe du nicht wieder gehen kannst. Okay, Eddie?« Er fühlte den sanften Druck ihrer Hand auf seinem Arm.
»Okay«, sagte er.
Die Hochzeit war im April, an einem schönen blaugeschliffenen Tag, an dem jede Blume der Schöpfung rings herum erblühte, und nach der Zeremonie in der Kirche von Our Lady of the Sorrows kletterten O’Kane und Giovannella mit Guido und Edwina und den Dimuccis und Fiocollas und der Hälfte aller Italiener von Santa Barbara ( Italiener , nicht Spaghettis, sie waren definitiv keine Spaghettis mehr) in die Automobile der McCormicks und fuhren nach Riven Rock, wo eine Feier auf dem Rasen stattfand. Mr. McCormick sah ihnen aus den breiten vergitterten Fenstern seines Zimmers zu. Sie hatten gehofft, er könnte sich unter die Gäste mischen, aber Kempf war dagegen gewesen – nach dem Vorfall mit Katherine (gar nicht zu reden von der Geschichte mit der Dame vom Fach, von der Kempf Gott sei Dank nie erfahren hatte) war Mr. McCormick wieder von den Frauen isoliert worden. Mit Ausnahme von Schwester Gleason, und auch die schlug einen weiten Bogen um ihn, anfangs jedenfalls.
Dennoch war es ein richtiges Fest, die Dimucci-Mädchen, ihre Mutter und Tanten hatten genug Essen gekocht, daß jeder Gast zweimal hätte satt werden können und dazu noch alle Millionäre Kaliforniens samt ihren ausgemergelten Rennpferden, falls diese die Klugheit besessen hätten, zu erscheinen und einen Glückwunsch auf das wahre Paar des Jahres auszubringen. O’Kane kam auf seinen Krücken recht gut voran, und jedermann sagte ihm, er sähe so gut aus wie ein Engel des Herrgotts, und Giovannella füllte ihr Satinkleid auf eine Weise, wie es keiner dieser dürren Backfische je gekonnt hätte. Nach der Feier, nach den Trinksprüchen, den gnocchi und dem controfiletto di manzo , dem palombaccio allo spiedo , den millefoglie und einer Hochzeitstorte, die so groß wie Klein-Guido war, brachte Roscoe O’Kane und Giovannella nach San Luis Obispo, für drei Tage Flitterwochen in einem blau-weiß geschindelten Gasthaus am Meer. Und danach kehrte O’Kane, schon wieder recht gut zu Fuß und mit seinen Geschlechtsorganen in einem fortgeschrittenen Zustand der Entspannung, zu seiner Arbeit nach Riven Rock zurück.
Mr. McCormick war froh, ihn wiederzusehen. Sehr froh. Geradezu ekstatisch. Kaum tauchte O’Kane im Flur vor dem oberen Salon auf, die Krücken seitlich weggestreckt wie Stützpfeiler, sprang Mr. McCormick vom Sofa auf und stürmte auf ihn zu. »Eddie, Eddie, Eddie!« rief er. »Ich wußte, daß Sie wiederkommen, ich wußte es!« Die Schlüssel drehten sich im Schloß, Mart lauerte neben Mr. McCormick, Schwester Gleason war eine stirnrunzelnde Gestalt im Hintergrund. »Klar bin ich wiedergekommen«, sagte O’Kane, und er war gerührt, aufrichtig gerührt, ja wirklich. »Nur weil ich geheiratet habe, werde ich Sie doch nicht im Stich lassen. Schließlich stecken wir in dieser Sache beide drin, was? Bis Sie wieder gesund sind, ja?«
Mr. McCormick sagte darauf nichts. Er stand an der Tür und wartete geduldig, bis O’Kane fertig war mit seinen Schlüsseln und Krücken und den Armen, die sich stark verkrampften, weil sie zwei Dinge zugleich tun mußten; Mr. McCormick hielt etwas in der Hand, irgendeine Trophäe aus Bronze, in die etwas eingraviert war. Es sah aus wie ein Posthorn mit zwei Glocken daran.
»Und was soll das sein?« fragte O’Kane und schlängelte sich durch die Tür, von Mart gesichert.
Mr. McCormick grinste ihn breit an, faulige Zähne, weggetretener Blick, wie immer. »D-Der erste Preis in einer Orchideen-schau. Für – für unser Cymbidium, das Riven-Rock-Cymbidium. Mr. Hull hat für mich eingereicht, und Kath-Katherine sagte, es war ein Riesenerfolg. Sie, sie...«
Doch das war alles. Der Rest der Geschichte, wie immer sie weitergehen mochte, war in seinem Inneren verschlossen und konnte nicht heraus. Normalerweise hätte O’Kane ihn ermuntert, so wie Kempf das oft tat, aber er trat seit dreieinhalb Monaten zum erstenmal wieder durch diese Tür, Schwester Gleason musterte ihn aus ihren Fischaugen, und er kannte sie noch überhaupt nicht, deshalb hatte er keine rechte Lust dazu.
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