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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Statt dessen hinkte er an seinem Arbeitgeber vorbei, er konnte das rechte Bein bereits ganz gut belasten, benutzte die Krücken nur bei jedem zweiten Schritt, und setzte sich an den Tisch. Mr. McCormick stand bereits vor dem Bücherregal und machte einen Platz für die Trophäe zwischen den acht übrigen frei, die er in den vergangenen Jahren gewonnen hatte. Er brauchte eine Zeitlang dafür, alles genau zurechtzurücken, und an seiner Haltung, dem Winkel seiner Schultern und daran, wie er den Kopf einzog und vor sich hin murmelte, sah O’Kane, daß ihm höchstwahrscheinlich seine Richter zusahen und das Arrangement kommentierten.
    Schwester Gleason, die O’Kane beim Hereinkommen mit knappem Kopfnicken begrüßt hatte, ging zwischen ihnen hindurch und zog eine kleine Schau ab, indem sie die Sofakissen aufschüttelte und Mr. McCormicks Zeitung glattstrich und faltete. Sie war eine grobknochige, fischgesichtige Fast-Vettel um die Fünfzig und so geschlechtslos, wie eine Frau nur sein konnte – das heißt knapp vor dem Hermaphroditismus. Kempf hatte sich gedacht, daß Mr. McCormick eher geneigt wäre, sie zu akzeptieren als jemanden wie die arme Wie-hieß-sie-noch-gleich am McLean, die mit dem Medaillon zwischen den Brüsten – oder wenn nicht zu akzeptieren, so doch von sexuellen Anzüglichkeiten jeder Art Abstand zu nehmen. O’Kane hatte gehört, daß sie eine gute Krankenschwester war, die sich von niemandem etwas bieten ließ – sie hatte jahrelang im Battle-Creek-Sanatorium gearbeitet und dort mit Schlauch und Klistierspritze hantiert, bevor sie ans Saint Elizabeth’s gekommen war – und bislang hatte Mr. McCormick ihre Gegenwart durchaus geduldet.
    Nach ungefähr zwanzig Minuten, in denen niemand ein Wort sprach, schien Mr. McCormick endlich zufrieden mit der Aufstellung seiner Preise und setzte sich gegenüber von O’Kane an den Tisch. O’Kane hatte eine Zeitschrift vor sich aufgeschlagen, las aber nicht wirklich darin, sondern blätterte die Seiten durch, als wären sie gar nicht bedruckt. Er blickte auf und lächelte. Mr. McCormick erwiderte das Lächeln nicht. Er wirkte ungewöhnlich angespannt, und sein Gesicht nahm immer wieder einen anderen Ausdruck an, als würden unsichtbare Finger aus allen Richtungen an der Haut zerren. »Sie sehen gut aus«, sagte O’Kane mechanisch.
    »Fühl mich aber nicht gut.«
    »Ist irgend etwas los? Möchten Sie davon erzählen?«
    Mr. McCormick wich seinem Blick aus.
    Hier schaltete sich Schwester Gleason ein, engstehende Augen, die Lippen fischartig vorgestülpt: »Er ist in letzter Zeit etwas verstört, wegen der Ärzte.«
    O’Kane runzelte fragend die Stirn.
    »Sie wissen doch«, sagte sie, »für den Prozeß und so. Und ich versteh den armen Mann, wo diese Doktoren einer nach dem anderen den Kopf hereinstecken und ihn untersuchen, so daß er seit zwei Wochen keine Ruhe mehr findet.«
    O’Kane sah zu Mart hinüber, aber Mart, der in sich zusammengesunken war wie ein grätenloses Vieh, das vom Meer angespült war, hatte dem nichts hinzuzufügen.
    »Die, die...« sagte Mr. McCormick auf einmal, dessen Gesicht immer noch Gymnastikübungen vollführte, als könnten sich die Muskeln unter der Haut nicht auf eine angemessene Reaktion einigen, »die wollen mir Riven Rock wegnehmen, vor Gericht, Kath-Katherine und, und...«
    »Nein, nein, Mr. McCormick«, schalt ihn Schwester Gleason, schob ihren massigen Körper neben ihn und stützte sich mit einem stumpfartigen Arm auf dem Tisch ab, »niemand will Ihnen Riven Rock nehmen, darum geht es gar nicht...«
    Mr. McCormick sah sie nicht einmal an. »Maul halten, Fotze«, schnarrte er.
    Daraufhin explodierte Schwester Gleason, aber nur ganz kurz, wie eine Silvesterrakete, die nicht richtig vom Stock loskommt. »Solche Ausdrücke will ich nicht hören, das sage ich Ihnen«, fauchte sie und rückte ihm noch näher, aber Mr. McCormick stand auf und warf dabei seinen Stuhl um, worauf sie mit gerötetem, düsterem Gesicht zurückwich. O’Kane erhob sich ebenfalls, trotz seines schlimmen Knies, und ergriff seinen Arbeitgeber beim Handgelenk; einen Augenblick lang erstarrten sie beide, sahen erst einander in die Augen, dann hinunter zu der eingreifenden Hand auf dem bebenden Arm. O’Kane ließ los. Mr. McCormick hob seinen Stuhl wieder auf und setzte sich, nach kurzem Widerstreben, erneut hin. »Ist schon in Ordnung«, sagte O’Kane, aber das war es sichtlich nicht.
    Am Nachmittag, kurz nachdem Mr. McCormick von seinem

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