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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der Tag zur Neige ging, Mart leise auf dem Sofa schnarchte, Schwester Gleason schweigend die Topfplanzen abstaubte, und schließlich sagte Mr. McCormick, und er grinste dabei breit und gewinnend von einem Ohr zum anderen, doch noch etwas: »Keine Ahnung mehr«, sagte er.
    Als Familienvater war O’Kane nicht gerade auf Anhieb ein Erfolg. Seine Erfahrungen mit Kindern waren spärlich und kummervoll, zutiefst kummervoll, und er hatte sich an die friedliche, sterile Atmosphäre in der Pension von Mrs. Fitzmaurice gewöhnt (die nach dem Erdbeben wieder aufgebaut worden war und genauso wie vorher aussah, wenn nicht noch mehr), an die Flüsterkneipen und daran, im Imbiß oder gar nichts zu essen, wenn er keine Lust dazu hatte, und überhaupt zu tun, was er wollte – und wann er wollte. Jetzt aber, im Frühling und zu Anfang des Sommers, lebte er auf einmal mitten in dem Olivenöl pressenden, Knoblauch kauenden, Valpollicella saufenden Tohuwabohu des Dimucci-Haushalts, wo es von barfüßigen, kreischenden Kindern, Hunden, Schweinen, Hühnern und Italienern nur so wimmelte. Baldy hatte früher eine der Hütten für Marta und ihren Mann eingerichtet, und als die beiden ihre eigene Wohnung in der Milpas Street bezogen, ließ er den noch etwas wackligen O’Kane sich mit seiner neuen Familie vorübergehend dort einquartieren. »Nur so lange«, sagte er, »bis Eddie wieder auf den Beinen ist«, und in seiner Stimme schwang kein bißchen Ironie mit.
    Edwina feierte im Juni ihren neunten Geburtstag, und Guido würde im Oktober vierzehn werden – beide waren zu alt, um sich von irgendwelchen Tricks überlisten zu lassen, mit denen O’Kane sich einzuschmeicheln versuchte, obwohl sie die Süßigkeiten, Spielsachen, Puppen und Taschenmesser, die er ihnen aufnötigte, nur allzugern annahmen. Er war nicht ihr Vater, nicht in ihren Augen – ihr Vater war Guido Capolupo, und der war tot und im Himmel wie die Heiligen. Mit Giovannella war es anders. Er hatte das größte aller Opfer für sie gebracht, hatte ihr seinen Leib und seine Seele gegeben – mal abgesehen davon, daß er zum Bigamisten wurde –, und deshalb kam sie jede Nacht an seinen Altar. Anfangs, als er noch nicht ohne Krücken gehen konnte, tupfte sie ihn im Bett mit einem nassen Schwamm ab, fütterte ihn, damit er bei Kräften blieb, wobei sie jeden verschütteten Tropfen Suppe oder Sauce liebevoll mit einer sorgfältig gefalteten Serviette abtupfte, und als es ihm besser ging, verbrachte sie Stunden damit, seine verspannten Muskeln zu massieren oder die Haut rings um den Rand des Gipsverbands niederzudrücken und sanft in die Öffnung hineinzublasen, um den Juckreiz zu lindern. In der Liebe gab sie sich ihm mit besitzergreifender Heftigkeit hin, und wenn sie fertig waren und schwitzend und keuchend dalagen, setzte sie sich oft rittlings auf ihn und fuhr ihm immer wieder mit den Händen durchs Haar. »Jetzt bist du mein, Eddie«, sagte sie dann, die Lippen geschwollen und gerötet von allem, was sie getan hatten, »ganz und gar mein.«
    Er konnte nicht sagen, daß er den Dimuccis vergab (nicht direkt – er war kein Pazifist und hätte Pietro lieber zertrampelt als ihn noch einmal angesehen), aber er akzeptierte, daß die Sache irgendwo auch ihre Richtigkeit hatte, und er war zufrieden, zumindest glaubte er das. Doch als er wieder arbeitete und seine Zwölfstundenschichten in Riven Rock ableistete, befreit vom Chaos des Dimucci-Reichs und den pausenlosen Forderungen der Kinder – lies mir eine Geschichte vor; mach das wieder ganz; du magst mich nicht, das weiß ich; du bist sowieso nicht mein richtiger Vater –, da wurde ihm bald klar, daß die Zeit zum Umziehen gekommen war. Als erstes brauchte er ein Auto. Bis dahin war er immer morgens von Baldy in Riven Rock abgesetzt und abends von Roscoe nach Hause gefahren worden, und das war gut so – nein, es war unerträglich –, und nun durchforstete er die Kleinanzeigen, bis er einen zehn Jahre alten Maxwell fand, genau wie den, den Dolores Isringhausen damals gefahren hatte, nur älter, langsamer und lauter, der Lebensfunken in seinem schmierefeuchten automobilen Herzen fast erloschen. Aber Roscoe half ihm, den Wagen wieder hinzukriegen, brachte den Motor auf Vordermann und fuhr mit ihm zur State Street, wo er in einen Satz neuer Reifen investierte.
    Zwei Wochen später mietete er mit Giovannella ein Haus in Summerland, ein Stück östlich von Montecito, und es war weder zu ihren Eltern noch nach Riven Rock weit zu

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