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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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fahren. Es war ein einstöckiger Bau, dessen niedriges Dach sich ein Stück über die vordere Veranda schob, bis zu den zwei Palmen, die zu beiden Seiten des Hauses wie Fahnenmasten aus der Erde aufragten. Von der äußersten rechten Ecke der Veranda konnte man den Ozean sehen, und das beste war, daß es einen privaten Zitrusobstgarten hatte: drei Pampelmusen, zwei Apfelsinen und eine Limette. O’Kane stellte sich auf die Straße davor und machte sechs Photographien des Hauses – Totalaufnahmen ohne einen Menschen im Bild – um sie seiner Mutter nach Hause zu schicken.
    Er war fit genug, um Giovannella über die Schwelle zu tragen und einen ganzen Nachmittag, einen Abend und eine Nacht lang Mann und Frau mit ihr zu spielen, während die Kinder ihren Großeltern das Leben schwermachten und die Pelikane durch den Ausschnitt des Himmels segelten, den das Schlafzimmerfenster freiließ; als der alte Mann von nebenan seine Rosen goß, lud sie das Geräusch des Wassersprengers ein, in die traumlose Umarmung des Schlafes hinüberzugleiten. Am späten Vormittag des nächsten Tages setzte Baldy die Kinder ab, Giovannella machte bruschetta und Spaghetti, das Haus wurde wieder kleiner und geräuschvoller, bis O’Kane den Wunsch verspürte, ein wenig Auto zu fahren – »Sorg dich nicht um mich, in ein paar Stunden bin ich wieder da« –, und so fuhr er am Sonntagnachmittag, seinem freien Tag, nach Riven Rock, um mit Roscoe in der neuerbauten Garage über dies und jenes zu plaudern.
    »Was für einen Eindruck macht er auf dich«, fragte Roscoe, während er mit einem Rehlederlappen den vorderen Kotflügel von einem der neuen Pierce Arrows wienerte. »Also, wie ich das sehe, regt er sich jeden Tag mehr auf wegen dieser Gerichtsverhandlung, dabei gibt’s noch nicht mal einen Termin dafür, soweit ich weiß.«
    »Eigentlich wird das ja gar keine Verhandlung im engeren Sinne. Keine Geschworenen oder so etwas, nur ein Richter. Nach dem, was mir Kempf erzählt hat, jedenfalls.«
    »Was macht das schon? Es geht doch darum, daß Mr. McCormick glaubt, sie will ihm alles wegnehmen, und deshalb ist er auch so fahrig in letzter Zeit – genau wie vor vielen Jahren, als wir ihn auf Ausflugsfahrten mitgenommen haben und er immer dachte, jeder zweite Baum würde auf den Wagen fallen. Und weißt du, was er neulich abends gemacht hat? Er kam mit Nick und Pat hier in die Garage – warum sie ihn überhaupt rausgelassen haben, ist mir ein Rätsel –, und hat stundenlang am Rücksitz herumgebastelt, weil der ihm nicht bequem genug war... Hier, sieh mal, schau dir selbst an, was er getan hat.« Der Lack der Wagentür erfaßte das Licht und entließ es wieder, und da sah er Mr. McCormicks Schöpfung: der Sitz war aus dem Rahmen genommen und sorgfältig mit fünfzehn bis zwanzig Kissen aufgepolstert worden, die von diversen Sofas des Haupthauses stammten.
    »Aber das hat sie ja längst getan«, sagte O’Kane, während er sich in den Wagen hineinbeugte, »er weiß es nur nicht.«
    »Was? Wovon redest du da?« Roscoe drückte den nassen Lappen über dem Eimer aus, die Sonne, die durch die offenstehenden Türen fiel, malte zwei lange weiße Rechtecke auf den Betonfußboden.
    »Ja, ziemliches Durcheinander da drin«, sagte O’Kane und richtete sich auf, »aber richtig schlimm ist es nicht – wenigstens hat er nicht die ganze Polsterung zerfetzt wie letztesmal.« Er kniff die Krone seines Hutes zurecht und fuhr mit dem spuckefeuchten Finger den Falz der Krempe nach. »Ich rede von Katherine, von Mrs. McCormick. Es gehört doch sowieso längst alles ihr – seit damals, seit 1909, als sie ihn hat entmündigen lassen.«
    Roscoe wandte sich wieder dem Wagen zu, das weiche feuchte Leder saugte die Wasserperlen auf, als er damit über den Kotflügel strich. »Aber was will sie dann jetzt? Abgesehen von Kempfs Kopf auf einem Silbertablett, was ich übrigens für eine himmelschreiende Schande halte, wirklich...«
    O’Kane überdachte das und betrachtete den Chauffeur, die ruckartigen Bewgungen seiner hurtigen Ellenbogen, die schmale Schiebermütze über den feuerroten Segelohren, den weit über die Motorhaube gereckten Oberkörper, gespiegelt in der Glorie des auf Hochglanz polierten blauschwarzen Stahls. »Ihn«, sagte er nach einer Weile. »Ihn will sie.«
    Roscoe stützte eine Hand auf, ließ die andere regelmäßig kreisen und sah über die Schulter. »Kempf?«
    »Nein, nicht Kempf – ihren Mann.«
    »Pfff«, machte Roscoe und rieb jetzt fest, legte

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