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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Welt, daß sie sich vor ihm verneigte und ihm Pfeife, Zeitung und Kaffee ans Sofa brachte, genau so, wie er ihn mochte, mit Sahne und Zucker und einer winzigen Spur Zichorie. Und weshalb? Weil Männer die Erzpatriarchen und Ernährer waren und weil man ihnen Gehorsam schuldete, so lagen die Dinge nun einmal, verfügt vom Herrgott persönlich, der seinerseits ein Mann war.
    Sie stieß einen Seufzer aus. Sie war müde, schlecht gelaunt, desorientiert, ihre Nase hatte zu tropfen begonnen, und sie fühlte eine Migräne nahen. Ihre Angelegenheiten an der Ostküste hatte sie in einer gebremsten Raserei von Listenschreiben, Einkaufen und Packen geregelt, wobei ihre Mutter eher Hindernis denn Hilfe gewesen war, und dann hatte sie sich sechs Tage lang in den Zug gepfercht. Und nun war sie im palmenbestandenen Santa Barbara, saß auf dem Diwan des Empfangszimmers ihrer Suite im Potter Hotel, mit der erquickenden Aussicht auf einen Strand wie aus braunem Zucker und den schimmernden nackten Bauch des Ozeans, und man war schon wieder dabei, sie zu enttäuschen.
    Die diesmal dafür zuständigen Männer waren Cyrus Bentley, ein spitznäsiger, glatzköpfiger kleiner Funktionär der McCormicks, der niemals zu reden aufhörte, nicht einmal zum Atemholen, so als wäre es eine Art Trick wie Feuerspeien oder Schwertschlucken, und Dr. Henry B. Favill, sein Komplize. Dr. Favill war ein großer, eleganter, auf eiskalte Weise imposanter Mann, ungebührlich stolz auf seine hundefressenden Indianervorfahren, unglücklich verheiratet und bis zu den Trommelfellen vollgestopft mit dem Geld der McCormicks. Sie waren der Rechtsanwalt und der Hausarzt der Familie, stattliche Männer von Ende Vierzig, allseits geschätzt und geachtet und daran gewöhnt, ihren Willen zu bekommen. Gegenstand ihrer kleinen Zusammenkunft war Stanley. Stanley hatte auch den Kontext für alle bisherigen Beziehungen zwischen diesen beiden Herren und Katherine hergestellt, und bei diesen Gelegenheiten achteten die zwei peinlich darauf, ihn bei seinem Vornamen zu nennen und niemals »Mr. McCormick«, »Ihr Gatte« oder gar »der Patient«, und machten solcherart ältere Rechte an ihm geltend. Sie hatten sich schon um die rechtlichen und gesundheitlichen Interessen der Familie gekümmert, als sie noch ein kleines Mädchen in Miss Hersheys Schule in Boston gewesen war, und sie ließen keinen Zweifel daran, wer hier der Eindringling war.
    Katherine war zweiunddreißig, eine jungverheiratete Frau, die ebensogut Witwe hätte sein können. Stanley war ihr entzogen, eingesperrt im Kerker seines geschundenen Verstandes, doch sie hoffte auf Heilung, hoffte weiterhin, und sie würde sich von niemandem davon abbringen lassen. Sie senkte den Kopf tief über den Teller mit frischen Orangen- und Ananasscheiben, der wie ein Fehdehandschuh auf dem niedrigen Tisch zwischen ihnen lag, und schnitt Bentley mitten in einem Satz ohne Punkt und Komma das Wort ab. »Was Sie damit sagen, und zwar ziemlich taktlos, ist, daß Sie mich auszahlen wollen – so ist es doch?«
    Bentley beugte sich gerade in seinem Sessel vor und rieb geistesabwesend die Stelle an seiner rechten Wade, wo ihn der Strumpfhalter ins Fleisch schnitt, jetzt aber fuhr er hoch wie einer dieser mechanischen Glockenschläger auf Tiroler Turmuhren. Ehe sie noch geendet hatte, sprudelte und polterte er los, was das Zeug hielt. »Keineswegs, keineswegs«, stieß er hervor, und nun mußte er einfach aufspringen, im Zimmer auf und ab gehen, empört aufbegehrend und die Hände wie Parlamentärflaggen schwenkend. »Es ist nur so, daß die Familie meinte, unter diesen Umständen könnte es für Sie vielleicht angenehmer sein, wenn die Ehe beendet würde – oder auch annulliert, das ließe sich arrangieren, ganz ohne Probleme –, und natürlich dachten wir dabei in erster Linie an Ihr Interesse und Ihr Wohlergehen, und bitte verzeihen Sie mir, wenn ich mich aufgrund meiner juristischen Ausbildung genötigt sehe, solche Überlegungen mit einem konkreten Betrag zu verknüpfen...«
    Sie würde sie nicht an sich heranlassen, ganz egal, wie erschöpft sie war, wie sehr ihr Kopf schmerzte und ihre Nase triefte. Und sie würde sich auch nicht niederreden lassen wie irgendeine hohlköpfige Erbin oder vollgefressene Witwe, von denen diese Typen reich wurden, sie kannte die Sorte: lasch wie wäßrige Milch und aufgeregt wie die Hühner, bis sich endlich der große starke Anwalt und der große starke Arzt anboten, um ihre kleinen Sorgen und Leiden in

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