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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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mich nicht an, du dreckiger Hurensohn.«
    »Ich schwöre es, ich war gestern abend in Riven Rock. Komm, sieh dir mein Gesicht an, los doch! Na? Siehst du das? Das hat mir Mr. McCormick angetan, und ich hab die Nacht in Marts Bett gelegen, brav wie ein Chorknabe, und der Kerl hat geschnarcht wie ein Sägewerk, ich schwör’s bei Gott...«
    Sie war nicht besänftigt, nicht im geringsten – sie hielt noch einen anderen Trumpf im Ärmel zurück, das merkte er, die Minen waren gelegt und würden demnächst explodieren. Das Baby, das rittlings auf ihrer Hüfte saß, streckte den Arm zu ihm aus. »Pa-pa«, sagte es. »Pa-pa.«
    »Du bist dort mit einer Frau gewesen«, sagte sie, und ihre Stimme war leise und tief, das erste warnende Grollen des herannahenden Gewitters. »Mit einer Spaghettifresserin.«
    Er versuchte, ihr auszuweichen, sich abzuwenden, das Thema zu wechseln, etwas Luft zu schöpfen, ihr Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen, damit sie die dicke Beruhigungspille seiner Lügen schlucken konnte, aber sie ließ es nicht zu. Wohin er sich auch drechte, immer stand sie vor ihm, das Baby als Schild vor sich, und fragte, laut und erregt krächzend wie ein Seevogel: »Wer war sie? Na? Irgendeine Hure, die du auf der Straße aufgegabelt hast? Hast du sie flachgelegt? Hast du?« Er ging ins Schlafzimmer, um ein frisches Hemd anzuziehen, ein Mann, der zwei volle Tage lang gearbeitet hatte und unter den Armen schwitzte vor lauter Anstrengung, für seine Familie das Brot zu verdienen, und konnte er denn nicht eine Sekunde lang Frieden in der eigenen Wohnung haben, für deren Miete er zwölf Stunden pro Tag rackerte? Nein. Nein, kein Frieden. Keifend verfolgte sie ihn ins Schlafzimmer, und als er sich aufraffte, um in die Küche zu fliehen, wo er hinter dem Eisschrank nach jener tröstlichen, fast leeren Flasche langte, die sie dort versteckte und von der er nichts wissen durfte, o Schande und Verlogenheit, er hob sie unter Kreischsalven zum Mund – »Wer war sie? Sag schon, wer?« –, bis er es nicht mehr aushielt, kein Mann hätte das ausgehalten, außer er wäre blind, taub und lahm zugleich gewesen.
    Er hatte nicht vorgehabt, grob zu werden. Hatte es nicht gewollt. Hatte es nicht geplant. Er fühlte sich mies dabei. Aber es war genau wie damals in Waverley, ihr Gesicht ein aufgetriebener Ball, der wieder und wieder zu ihm heranschnellte, und er der Angreifer am Netz, und doch war es wiederum anders, vollkommen anders, denn nun war das Baby da, saß auf ihrer Hüfte und flennte, als wäre es schon jetzt ein Waisenknabe. Er liebte dieses Baby, und er wollte es nicht verletzen – ihn , Eddie jr., seinen Sohn –, und er liebte auch Rosaleen, wirklich, aber es kam immer wieder auf ihn zu, dieses weiße Mondgesicht, der große abgesteppte Ball, und als er schließlich doch auf sie einschlug, auf die herannahende, aufgeplusterte Kugel des häßlichen, verzerrten, kleinen Gesichts seiner unnachgiebigen Frau, als seine Geduld am Ende war, als sogar Hiobs Geduld am Ende gewesen wäre, als selbst alle Päpste und Märtyrer mit ihren verdorrten Heiligenknochen gerasselt und Mord und Totschlag geschrien hätten, da war es in erster Linie eine Reflexhandlung. Einmal schlug er sie, nur einmal. Und so wie ein besonnener Mann seinem Pferd oder seinem Lieblingshund den Gnadenschuß gibt, sorgte er dafür, daß er fest und gezielt genug zuschlug, um auch noch die geringste Möglichkeit eines Abprallers auszuschließen.
    Das war im Mai, als Mr. McCormick entmündigt wurde, als Giovannella wieder zu allen Tages- und Nachtzeiten in Riven Rock aufzutauchen begann, als Rosaleen, die auf dem Nasenrücken eine winzig kleine Kerbe eingeprägt hatte wie ein umgekehrtes Fragezeichen und deren Augen dunkel umrandet waren wie die eines nächtlichen Wegelagerers, ihre Koffer packte, sich das Baby mit den blauen Flecken am Bein griff und mit der Straßenbahn zum Zug fuhr, aber für O’Kane überstürzten sich alle diese Ereignisse, so daß er kaum wußte, welches Jahr man schrieb, geschweige denn welchen Monat. Was war denn nun mit Rosaleen? wollten alle wissen, besonders Leute wie Elsie Reardon. Und das Baby? Denen ging es gut, beharrte O’Kane, und er verließ sich auf sein Gedächtnis, um aktuelle Details über Klein Eddies kindliche Verzückungen und allerliebste Aktivitäten zu berichten, doch innerlich tat es weh, tat so weh, daß er sich nahezu jeden Abend der Woche betrinken und in den Schlaf weinen mußte, auf den jetzt stillen

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