Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
»wirklich ein prächtiger sonniger Tag heute, nicht wahr?«
    Immer noch keine Antwort.
    »Und Sie an einem so schönen Tag so wohlauf zu sehen – das freut uns alle, nicht wahr, Edward? Martin? Und Sie, Mr. McCormick, ich nehme doch an, daß Sie sich jetzt viel besser fühlen?« Pause. »Habe ich recht?«
    Ganz langsam, wie der Schauspieler in einer Farce, der den Vorhang öffnet und sein aufgemaltes Grinsen auf die Bühne schiebt, ließ Mr. McCormick die Zeitung sinken, womit er zuerst den Haaransatz, dann die Stirn, die Augen, die Nase und schließlich, mit schwungvoller Gebärde, ein breites, strahlendes Grübchenlächeln offenbarte, das quer über seine ganze untere Gesichtshälfte verlief. Mr. McCormick grinste, er grinste, was das Zeug hielt, und man sah das Glänzen in seinen Augen, deren Blick sich jetzt voller Wärme auf das ebenfalls grinsende Gesicht von Dr. Hamilton legte. »Und wer sind Sie ?« fragte er höchst offenherzig und unbekümmert.
    Der Doktor konnte sich nicht beherrschen. Er ließ seinen Pupillen ihren Willen – dreimal rasch hintereinander hüpften sie auf und ab –, zuckte mit den Schultern, wie um eine unsichtbare Bestie abzuschütteln, die sich in sein Jackett krallte und ihm ins Ohr fauchte, und sagte dann: »Aber Mr. McCormick, ich bin’s, Dr. Hamilton – Gilbert... Ihr behandelnder Arzt.« Er breitete die Arme aus. »Und sehen Sie doch, hier, Ihre alten Bekannten, Edward O’Kane und Martin Thompson. Aber wie geht es Ihnen denn?«
    Das Grinsen blieb. O’Kane grinste jetzt auch – und Mart ebenfalls. Alle vier dehnten ihre Gesichtsmuskeln bis an die Zerreißgrenze, der gute Wille nahm überhand, und man hätte meinen können, sie hätten soeben den besten Witz der Welt gehört. »Wo sind wir hier eigentlich?« fragte Mr. McCormick dann, ohne zu zögern, zu stottern oder einen Wortschwall vom Stapel zu lassen.
    Darauf sah Dr. Hamilton O’Kane und Mart an, als wäre dies das Lustigste, was er je gehört hatte, ehe er sich wieder Mr. McCormick zuwandte, wobei er die ganze Zeit in einem Paroxysmus von nervöser Energie seine Hände aneinanderrieb und mit den Augen rollte – und grinste, er grinste, als wäre dies sein normaler Gesichtsausdruck. »Aber, wir sind in Riven Rock, Mr. McCormick – in Kalifornien. In dem Haus, das Sie für Ihre Schwester entworfen haben, für Mary Virginia – daran erinnern Sie sich doch gewiß? Ein wundervolles Haus. Und so bequem. Hatten Sie bei der Planung damals eigentlich besondere Probleme?«
    »Ich... ich...« Nun wieder das vertraute Zögern, der fahrige Blick, der zugleich verloren wirkte und sich zurückzog, das Grinsen aber hielt. »Ich... ich kann mich nicht erinnern – aber ich... ich muß krank gewesen sein, oder, so ist es doch?«
    Hamilton bemühte sich um Bedeutsamkeit, sein Grinsen war jetzt gebannt. »Ja, so ist es, Mr. McCormick, Sie waren krank... Erinnern Sie sich an Ihre Krankheit, woran Sie gelitten haben, an irgend etwas davon?«
    Mr. McCormick drehte sich zu O’Kane um und zwinkerte ihm zu – er zwinkerte tatsächlich, wie ein Saufkumpan in der Kneipe. »Ja«, sagte er, und sein Grinsen wurde noch breiter. »Eine Er-Erkältung war das, oder?«
    Die Verwandlung hielt drei Tage. Mr. McCormick stand allmorgendlich auf, duschte sich (und zwar manchmal bis zu zwei Stunden lang), nahm sein Frühstück ein, las die Zeitung. Er unterhielt sich, riß sogar Witze. Und obwohl er sehr müde war, erschöpft von seinen Qualen, konnte er sich ohne allzu große Mühe bewegen, indem er das rechte Bein stärker belastete und mit leicht wackliger Entschlossenheit umherstampfte, so als stünde er auf einem Drahtseil über einem gähnenden Abgrund. Er brauchte Hilfe beim Ankleiden und verlor schnell die Geduld – ja die Fassung –, weil er nicht wußte, wie man richtig in ein Hemd oder eine Jacke fuhr, und mehrmals versuchte er, beide Füße in ein einziges Hosenbein zu stecken. Trotzdem atmeten alle auf, besonders O’Kane. Mr. McCormick rappelte sich wieder auf. Endlich. Zu guter Letzt.
    Wie sich allerdings herausstellte – und es war sehr traurig, die geweckten Hoffnungen so begraben zu müssen –, gab sich O’Kane nur einem Wunschdenken hin. Jene drei Tage der Klarheit, jene drei Tage von dramatischer, sichtbarer Besserung, das befreiende Lüften des Schleiers war nur der Schatten, den Mr. McCormicks schwerwiegendste Krise seit dem Zusammenbruch vorauswarf. Niemand hätte sie voraussehen können. Nicht einmal Dr. Hamilton, der gleich

Weitere Kostenlose Bücher